559 der Delegierten des Parteitags stimmten für die Frauenquote, 409 dagegen.

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Am Freitagabend, kurz vor 21 Uhr, sitzt CDU-Chef Friedrich Merz in der Messe Hannover und sieht so aus, als bräuchte er jetzt mal ein alkoholisches Getränk. Mehr als eine Stunde lang haben die 1001 Delegierten über die Einführung einer verbindlichen Frauenquote in Gremien und auf Wahllisten diskutiert. Und zwar sehr lebhaft und intensiv. 34 Redebeiträge standen am Programm, hin und her ging es, immer hin und her.

"Quoten helfen kein bisschen bei der Vereinbarkeit von Familie und politischem Engagement", sagt etwa die Berlinerin Franziska Dezember. Frauenpolitikerin Annette Widmann-Mauz kontert, dass man ohne Quote noch 240 Jahre brauchen werde, bis in der CDU gleich viele Männer und Frauen vertreten seien.

Knappes Ergebnis

Der Applaus ist bei den Gegnern und Gegnerinnen der Quote lange Zeit deutlich lauter als bei jenen, die sie befürworten. Doch dann, bei der Abstimmung, kann Merz doch aufatmen: Seine "Frauenquote light" wird angenommen. 559 der Delegierten stimmen dafür, 409 dagegen. Merz erleidet also beim ersten Parteitag nach seiner Wahl zum CDU-Chef im Jänner 2022 keine herbe Niederlage.

Merz selbst war früher ein Gegner der Frauenquote. Aber er hat diese Debatte von der früheren CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer geerbt. Also legte er sich eher lustlos auf folgenden Vorschlag fest: Die CDU soll für Vorstände von der Kreisebene aufwärts eine Frauenquote von 50 Prozent bekommen. Dies ist aber auf fünf Jahre befristet, dann wird evaluiert. Die Quote soll auch auf den ersten zehn Listen von Bundestags-, Landtags- und EU-Wahlen gelten.

Merz weiß einerseits, dass er die CDU für Frauen attraktiver machen muss. Dort sind nur nur rund 25 Prozent der Mitglieder weiblich. Andererseits: Der konservative Parteiflügel ist gegen eine Frauenquote. Und das ist jener, der Merz beim dritten Anlauf ins Amt des CDU-Chefs gehievt hat.

Sorge um Sympathie

Die Diskussionen in der CDU um die Quote im Vorfeld des Parteitages hatten ein knappes Ergebnis bei der Abstimmung über die Quote erwarten lassen. Merz war auf das für ihn nicht angenehme Thema in seiner Eingangsrede gar nicht eingegangen sondern hatte erklärt: "Die Beschäftigung mit uns ist notwendig. Aber die Beschäftigung mit der Lage der Menschen ist notwendiger." Seine Sorge: Es könnte die CDU Sympathien kosten, wenn sie sich in unruhigen Zeiten, in denen viele Menschen um ihr Geld und um die Energieversorgung bangen, in Debatten vor allem um sich selbst kreist.

Lieber widmete sich Merz am Parteitag der Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP. Diese bekam, wie schon zwei Tage zuvor im Bundestag, ihr Fett ab. Während einer tiefen Krise, so Merz, "leistet sich unser Land wohl eine der schwächsten Bundesregierungen aller Zeiten". Sein Fazit: "Deutschland kann es besser."

Kritik an Habeck

Wie schon bei der Generaldebatte im deutschen Parlament, zog er vor allem über den Grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck her. Der hat früher ein Kinderbuch verfasst und ist promovierter Philosoph. Merz: "Nur mit Kinderbüchern und Philosophie kann man die Probleme unseres Landes nicht lösen. Wir sind nicht Bullerbü. Wir sind die viertgrößte Industrienation dieser Welt."

Merz verübelt Habeck vor allem, dass dieser nicht länger auf Atomkraft setzen will. Die Union fordert, die drei noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke in Deutschland bis über den 31. Dezember 2022 hinaus am Netz zu lassen. Eigentlich ist zum Jahresende ja der endgültige Atomausstieg geplant. An den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) appellierte Merz am Parteitag: "Ich fordere Sie auf, stoppen Sie dieses rot-grün-gelbe Narrenschiff!"

CDU in Umlagen vorne

Der Applaus war ihm sicher. Merz hat sich in den vergangenen Monaten als der scharfzüngige Oppositionschef im Bundestag erwiesen, den sich viele in der Union erhofft hatten, nachdem sie nach der Bundestagswahl 2021 nach 16 Jahren Regentschaft von Angela Merkel in Opposition aufgewacht waren.

Doch als CDU-Chef glänzte Merz bisher weniger, seine Stellvertreter sind nicht besonders präsent, auch von seinem neuen Generalsekretär Mario Czaja hat sich so manche(r) mehr Impulse erwartet. Einen Trost aber gibt es beim Blick auf die Umfragen: Knapp ein Jahr nach der Bundestagswahl liegt die Union deutlich vor der SPD. Das allerdings muss sie jetzt auch in Wahlergebnisse ummünzen. (Birgit Baumann, 9.9.2022)