
ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner ist aufgrund "inhaltlicher Differenzen mit der Parteispitze" zurückgetreten.
ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner hat am Samstagvormittag ihren Rücktritt verkündet. Der Grund seien "inhaltliche Differenzen zwischen Parteispitze und Sachslehner", hieß es am Samstagmorgen aus der ÖVP, es habe "Unstimmigkeiten über den weiteren Kurs der Volkspartei gegeben". Alexander Pröll, Sohn des früheren ÖVP-Obmannes und Vizekanzlers, übernimmt interimistisch die Rolle Sachslehners als Generalsekretär.
In einer Pressekonferenz führte Sachslehner dann aus, worum es ging: nämlich um den Klimabonus für Asylwerber. Einige ÖVP-Politiker hatten zuletzt eine Änderung des von der ÖVP mitbeschlossenen Gesetzes gefordert, auch Innenminister Gerhard Karner wollte eine Nachprüfung. Sachslehner hatte sich an die Spitze dieser Kampagne gesetzt und sogar ein Koalitions-Aus in den Raum gestellt, sollten die Grünen nicht "einlenken".
Damit dürfte sie sich verzockt haben. Laut Puls24-Moderator Thomas Mohr wollte Sachslehner ihre Kritik am Freitagabend eigentlich live im Fernsehen weiter ausführen; sie sagte dann aber ab. Und spätabends betonte ÖVP-Klubchef August Wöginger dann auf Aufforderung seines grünen Gegenübers Sigrid Maurer die Pakttreue der ÖVP: "Die nunmehrige Regelung wurde letzten Sommer vereinbart und dabei bleibt es."
Die permanenten Angriffe der Volkspartei haben bei einigen Grünen allerdings viel Frust hinterlassen.
Aber auch Sachslehner zeigte sich klar frustriert: Der Kurs der ÖVP verrate deren Werte, sagte die ehemalige Generalsekretärin am Samstagvormittag. Die Grünen seien "eine Belastung" für den Kurs der ÖVP. Sachslehner habe sich "nie verbogen" und werde das "auch in Zukunft nicht machen", deshalb müsse sie die Konsequenzen ziehen und zurücktreten. Gemeinderätin in Wien bleibt sie allerdings.
Nicht ganz stimmig ist, dass der Klimabonus – auch für Asylwerber – ja schon unter dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz ausgehandelt wurde, und zwar im Sommer 2021.
Nachfolge unklar, Unmut bei Nehammer
Aus dem Umfeld der ÖVP-Spitze heißt es, Sachslehners Infragestellen der Koalition sei ein "Alleingang" gewesen, das bestätigt man auch im Umfeld der ehemaligen Generalsekretärin. Außerdem habe Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer ohnedies bereits überlegt, das Generalsekretariat neu aufzustellen und Sachslehner abzulösen, was deren Verbündete wiederum vehement bestreiten.
Einen Nachfolger präsentierte die ÖVP am Samstag noch nicht. Als aussichtsreichster Kandidat gilt der Abgeordnete Kurt Egger, der Generalsekretär des Wirtschaftsbunds ist. Auch der Name von U-Ausschuss-Fraktionsführer Andreas Hanger fiel, ebenso Bundesgeschäftsführer Alexander Pröll als permanente Nachbesetzung.
FPÖ-Kampagne von Sachslehner gekapert
Aber wie ist das Ganze überhaupt passiert? Stein des Anstoßens war eben der Klimabonus in der Höhe von 500 Euro, der auch an Asylwerber ausgezahlt wird. Der Erste, der sich darüber echauffierte, war der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner. Vom "blanken Hohn gegenüber Österreichern" sprach Haimbuchner, wenig später ergänzte sein Landesparteisekretär, es handle sich um einen "Schlag ins Gesicht der arbeitenden Österreicher". Dieselbe Nachricht wurde auch beim Auftakt der Präsidentschaftskampagne in Wels getrommelt.
Die Hofburg-Wahl ist aber nicht der einzige Urnengang – und rasch schwappte die Aufregung nach Tirol über, wo der ÖVP in Umfragen schmerzhafte bis desaströse Verluste attestiert werden. Nun war es die Kanzlerpartei, die gegen den Klimabonus für Asylwerber trommelte. Die Landtagskandidatin Astrid Mair (ÖVP) vermutete gar, dass die grüne Energieministerin Leonore Gewessler mit ihrer "lockeren Auszahlungspolitik Gutdünken in ihrer eigenen Wählerklientel erkaufen will" – angemerkt sei, dass Asylwerber und Asylberechtigte nicht wählen dürfen.
Vergangene Woche erreichte die Kampagne gegen den eigenen Koalitionspartner dann den Bund. Den Anfang machte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), der davon sprach, dass Gewessler "nachjustieren und prüfen" sollte. Am Donnerstag hielt Sachslehner dann ein Hintergrundgespräch ab, wo sie der Forderung nach einer Gesetzesänderung Nachdruck verleih; prompt folgten Absage von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Gewessler.
Gesetz von ÖVP mitbeschlossen
Fakt ist, dass die gesetzlichen Bestimmungen zum Klimabonus eigentlich durch die Hände sehr vieler ÖVP-Politikerinnen und ÖVP-Politiker gegangen sind. Denn im Unterschied zu einigen Hilfen im Corona-Bereich hat der Klimabonus ein langes parlamentarisches Verfahren hinter sich, inklusive Begutachtungsfrist und Möglichkeit zu Stellungnahmen aus der Zivilgesellschaft. Schon in dieser ersten Fassung ist der vierte Punkt des Gesetzes: "An Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, wird der Klimabonus nur dann ausbezahlt, wenn sie sich nach den Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, oder nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 rechtmäßig in Österreich aufhalten."
Dazu geäußert hat sich beispielsweise die Legistikabteilung des Innenministeriums, an der Spitze des Ressorts stand damals Karl Nehammer (ÖVP), heute Kanzler. Von einer Kritik bezüglich Asylwerbern fehlte damals jede Spur.
Im Dezember 2021 ging die Regierungsvorlage dann in den Nationalrat, wo sie zu Jahresbeginn mit den Stimmen der Koalitionsparteien beschlossen wurde. Ausreißer bei der ÖVP gab es keine. Aber auch der FPÖ fiel offenbar nicht auf, dass Asylwerber anspruchsberechtigt sind – im Gegenteil: Als im Juni 2022 dann aufgrund der Energiepreiskrise eine Erhöhung des Klimabonus beschlossen wurde, stimmte auch die FPÖ dafür. Also schien alles in Ordnung, bis diverse Wahlkämpfe begannen.
Aufstieg nach türkisem Exodus
Diese Wahlkämpfe wird die ÖVP ohne Sachslehner führen. Die 28-Jährige war nicht einmal ein Jahr lang Generalsekretärin der Bundespartei. Den Posten hatte sie Anfang 2022 nach dem türkisen Exodus im Zuge der Inseratenaffäre erhalten. Nach Kanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel hatte da auch der bisherige Generalsekretär Axel Melchior seine Funktion zurückgelegt.
Sachslehner galt als Überraschung, sie war schon zuvor immer wieder mit ihren Wortmeldungen aufgefallen. Ihre Bestellung wurde damals als Signal dafür interpretiert, dass Türkise weiterhin einen Platz in der ÖVP haben. Als Generalsekretärin agierte Sachslehner deutlich schärfer als ihre Vorgänger, musste dafür aber auch viel einstecken – vor allem in sozialen Medien gab es immer wieder sexistische Postings über ihr Aussehen und andere irrelevante Eigenschaften. (Katharina Mittelstaedt, Fabian Schmid, 10.9.2022)