Die am Samstag als ÖVP-Generalsekretärin zurückgetretene Laura Sachslehner gilt als eine der letzten Türkisen in der Partei.

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Sachslehner beim Bundesparteitag der ÖVP im Mai

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Das war ein ordentliches Abschiedsgeschenk, das Laura Sachslehner ihrem Parteiobmann am Samstag überreicht hat: Die ÖVP verlasse ihren Kurs, gebe ihre Werte auf und biedere sich an den Koalitionspartner an, richtete sie Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) aus. Der soll ihr kurz davor die Rute ins Fenster gestellt haben. Entweder sie trete als Generalsekretärin zurück oder sie werde zurückgetreten, soll die Conclusio eines Gesprächs Freitagnacht gewesen sein.

Zu sehr habe Sachslehner angeeckt, den Koalitionspartner provoziert und "ihr eigenes Süppchen" gekocht. Mehrere Dinge sollen Nehammer in den vergangenen Wochen gestört haben, der Streit um den (von der ÖVP mitbeschlossenen) Klimabonus für Asylwerber nur der Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Auch Sachslehners Agieren rund um den potenziellen Finanznotstand bei der Wien Energie soll an der Parteispitze für Ärger gesorgt haben, von "Märchen der SPÖ" war da bei Sachslehner die Rede.

Respektsbekundungen aus Wien

Aber wie isoliert ist Sachslehner? Die 28-jährige galt als eine der letzten Türkisen in der ÖVP, sie hatte einst bei der JVP mit Sebastian Kurz zusammengearbeitet. Genau der gilt für weite Teile der Partei weiterhin als Sehnsuchtsfigur. Eine nicht unbedeutende Fraktion denkt, dass die ÖVP in den Umfragen so schlecht dasteht, weil Kurz nicht mehr da ist – und nicht, weil Kurz viel Schaden angerichtet hat.

Dazu gehörte Sachslehner bestimmt; auch in Teilen des Parlamentsklubs und in der ÖVP Wien sieht man das so. Dorthin kehrt Sachslehner nun Vollzeit zurück, sie bleibt Gemeinderätin. "Respekt für Laura Sachslehner!", schrieb ihr Wiener Klubobmann Markus Wölbitsch, einst Landesgeschäftsführer und nicht-amtsführender Stadtrat. Er sei "stolz, dass sie in unserem Team" sei und "jene Mitte-Rechts-Politik vertritt, für die wir in Wien 2020 gewählt wurden". Und: "Daran sollten sich auch andere vielleicht wieder erinnern", so Wölbitsch in Richtung Parteispitze.

"Da kann man nur zu 100 Prozent zustimmen", ergänzte Stefan Trittner, Obmann der ÖVP Ottakring – der gestern offiziell als neuer Sprecher des türkisen Finanzministeriums präsentiert wurde, da aber freilich als Wiener ÖVP-Politiker postete. Auch das Wiener ÖVP-Urgestein Manfred Juraczka, für den das Team Kurz einst per Chats einen Job suchte, unterstützt Wölbitschs Posting. Ebenso die Abgeordneten Bernadette Arnoldner und Caroline Hungerländer. Kurzum: Die ÖVP Wien neigt eher zum Team Sachslehner.

Das wollte Landesgeschäftsführer Markus Keschmann offenbar am Nachmittag wieder einfangen. "Aufgrund der aktuellen Ereignisse bitten wir euch einmal mehr auf Geschlossenheit und das gemeinsame Auftreten der Wiener Volkspartei Bedacht zu nehmen", hieß es in einem Rundschreiben. Bis zum Landesparteivorstand am Montag sollen "keine Medienstatements zur aktuellen Situation" abgegeben werden, hieß es.

Auch Landesparteichef Karl Mahrer stellte sich hinter Nehammers "konsequenten Kurs zu den Themen Asyl und Migration" und plädierte in einer Aussendung demonstrativ für die Geschlossenheit der Partei.

"Danke für deine Aufrichtigkeit"

Für das Team Kurz gilt das ohnehin: "Danke für deine Aufrichtigkeit, deine Leidenschaft", kommentierte die langjährige ÖVP-Digitalchefin Kristina Rausch auf Instagram. Sie ist eng mit Sachslehner befreundet, genau wie Vera Regensburger, die kurzzeitig von der ÖVP-Bundespartei ins Kabinett Nehammer gewechselt war, um es dann in Richtung der von Sebastian Kurz und Investor Alexander Schütz gegründeten Firma zu verlassen.

Unter den Kurzianern ist man immer noch sauer, und zwar vor allem auf die Grünen. Die hätten Kurz mit Hilfe der WKStA aus dem Amt "geputscht", meint man dort. Immer wieder werden der Gruppe rund um den Exkanzler Sabotageaktionen zugeschrieben, etwa das Herausspielen von Sidelettern zum türkis-grünen Koalitionsabkommen.

Kurz selbst hat ein Comeback wiederholt ausgeschlossen, auch wenn zuletzt von einer möglichen Listenfinanzierung durch Schütz die Rede war. Der wurde auch mit einer Unterstützung des Präsidentschaftskandidaten Tassilo Wallentin in Verbindung gebracht – auch hier sollen Kurz-Fans im Hintergrund Stimmung gemacht und Unterschriften für Wallentin gesammelt haben. Auch, um dem grünen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen zu schaden.

Ausgang in Tirol

Eine Rückkehr von Kurz an die Spitze der ÖVP gilt als nahezu ausgeschlossen. Dazu haben sich die Landeshauptleute zu sehr distanziert, auch gewichtige Stimmen aus der Wirtschaft wollen lieber Ruhe statt PR-getriebene, konfrontative Politik mit andauernden Skandalen. Eine eigene Liste wäre hingegen rasch finanziert, noch besser kontrollierbar – und würde viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Quasi: Was Jörg Haider konnte, kann Kurz allemal. Aber wie gesagt: Kurz streitet das immer wieder ab.

Wie sieht die Haltung abseits der ÖVP Wien aus? Unruhe wünscht man sich in den wenigsten Ländern und das Machtzentrum Niederösterreich steht klar hinter Nehammer. Der Wirbel rund um den Klimabonus für Asylwerber ging ja in der FPÖ los, die wahlkämpfende ÖVP Tirol brachte das Thema dann in türkise Gefilde – und zwar Landtagskandidatin Astrid Mair, die mit dem Generalsekretär im Innenministerium Helmut Tomac liiert ist. Dessen Chef Gerhard Karner (ÖVP) war dann auch der einzige Minister, der die Forderung nach einem "Nachjustieren" vorsichtig unterstützte. Auch der Tiroler Spitzenkandidat Anton Mattle meinte, das sei "zu prüfen". Zwei Formulierungen, die man leicht zurücknehmen kann.

Bei Sachslehner war das schwieriger: Sie hatte im Alleingang die türkis-grüne Koalition infrage gestellt. Statt der Bevölkerung zu verkaufen, dass im September viel Unterstützung von der Bundesregierung auf den Konten landet, wurde die Maßnahme wegen des Auszahlens an Asylwerber skandalisiert. "Wie blöd kann man sein?", hieß es dazu hinter vorgehaltener Hand aus dem Umfeld des Kanzlers. Mitsamt eines Seitenhiebs: Sachslehner solle sich doch mal anschauen, wer den Klimabonus inklusive Auszahlung an Asylwerbern verhandelt und den Deal mit den Grünen akzeptiert habe: niemand geringerer als Sebastian Kurz. (Fabian Schmid, 10.9.2022)