Die ÖVP verrate ihre Werte, sie halte nicht Kurs, sie biedere sich den Grünen an. Diese fundamentale Kritik kommt nicht aus der Opposition, sondern von der eigenen Generalsekretärin, nunmehr Ex-Generalsekretärin. Umso schwerer wiegt die Kritik. Laura Sachslehner hat im Abgang ihrer Partei, die immer noch ihre politische Heimat ist und für die sie (noch) ein Mandat ausübt, einen schweren Schlag versetzt. Sie hat den Parteichef so beschädigt, wie das eine Pamela Rendi-Wagner oder ein Herbert Kickl gar nicht zustande brächte. Viele in der Volkspartei applaudieren Sachslehner ganz offen, klopfen ihr in den virtuellen Netzwerken demonstrativ auf die Schulter. Sie vergrößern damit den Schaden für die Partei und desavouieren ihren Parteichef – und Kanzler – Karl Nehammer. Der steht schwer angeschlagen da, eher schon taumelnd.

Parteichef und Kanzler Karl Nehammer steht schwer angeschlagen da.
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Das Unglück hatte sich abgezeichnet: Vielen in der ÖVP war aufgefallen, dass auch Asylwerbende den Klimabonus erhalten, selbst dann, wenn sie in einer vom Staat finanzierten Unterkunft sitzen und gar nichts beitragen können oder betroffen sind. Die FPÖ hatte darauf aufmerksam gemacht. Laura Sachslehner hatte ihr Thema. Ausländer, das hat bei Sebastian Kurz auch immer gut funktioniert. Emotionen, Ressentiments, ein bisschen Ausländerfeindlichkeit, damit lässt sich mobilisieren. Die ÖVP müsse ohnedies mehr Kante zeigen.

Parteiintern gab es Zuspruch. Also: "Kein Klimabonus für Asylwerber!", lautete die Kampfparole. Das Problem war nur: Die ÖVP hatte dieses Gesetz mit den Grünen verhandelt und selbst beschlossen. Also erhöhte Sachslehner den Druck auf die Grünen, wurde jeden Tag ein bisschen forscher. Der Parteichef ließ sie gewähren. Dann drehte Sachslehner die Schraube zu weit: Sie machte den Klimabonus zur Koalitionsfrage. Das war dann auch Karl Nehammer zu viel. Er zog die Notbremse: Rücktritt Sachslehner.

Diese Ereignisse zeigen mehrerlei:

· Die ÖVP hat ein Führungsproblem. Nur einem schwachen Parteichef ohne Autorität tanzt die eigene Generalsekretärin derart auf der Nase herum.

· Die ÖVP hat ein strategisches Defizit: Sie kann politische Kampagnen nicht mehr planen, sie passieren vielmehr und gehen dann eben in die Hose.

· Die ÖVP hat ein Orientierungsproblem. Offenbar wissen viele Funktionäre nicht mehr, wie und was sie tun sollen, was politisch geht, was nicht.

· Die ÖVP leidet unter dieser Koalition. Es geht nicht nur um Abgrenzung. Es geht ums Arbeiten. Es wird geschlampt und gehudelt, es werden Gesetzesvorhaben beschlossen, die man gar nicht so gemeint hat und die man nicht erklären kann. Die Regierung versucht, sich das Wohlwollen der Bevölkerung regelrecht zu erkaufen. Dabei ist dieses Geld kein Geschenk von Nehammer und Co, es ist Steuergeld, das hier verschleudert wird.

Sachslehner hat mit ihrem Abgang den Finger in diese offenen Wunden gelegt. Sie hat den Parteichef in seiner Hilflosigkeit gnadenlos vorgeführt. Auch wenn manche sie jetzt zur politischen Märtyrerin machen wollen: Das war ein kraftvoller Abgang, ja. Aber Laura Sachslehner war keine gute Generalsekretärin. Sie war unbeholfen, oft an der Grenze zur Lächerlichkeit. Sie war eine destruktive Kraft, hat mutwillig den politischen Diskurs vergiftet, sie hat ganz bewusst ihren Populismus mit Ausländerfeindlichkeit versetzt.

Sie war übrigens Nehammers Wahl. (Michael Völker, 12.9.2022)