Bei Rapid fehlt es an allen Ecken, vermisst wird auch das zweite l im Schal. Vielleicht war es aber Absicht, Rauch stimmt nämlich. Es gibt ja nicht nur ahnungslose Fans.

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Steffen Hofmann schaut finster drein.

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Martin Bruckner ist Ex-Präsident.

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Trainer Ferdinand Feldhofer wackelt.

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Der 25. August 2022 war der Tag, an dem Rapid in Turbulenzen geriet. Wobei die Turbulenzen zum Orkan mutierten. Knapp vor 23 Uhr wurde das peinliche 0:1 gegen den FC Vaduz, einen Schweizer Zweitligisten aus Liechtenstein, amtlich. Die Fans im Allianz-Stadion, vor allem jene vom Block West, buhten, allerdings richtete sich ihr Unmut gar nicht so sehr gegen die sportliche Führung. "Feldhofer raus" und "Barisic raus" wäre eine erwartbare Reaktion gewesen, Trainer und Sportgeschäftsführer sind bekanntlich an allem schuld. Aber bei Rapid wurde sogar dieser im Fußball übliche Mechanismus außer Kraft gesetzt. Man hatte gerechnet, dass die Horde (Ultras und Co) irgendwann beim Training erscheint, Betreuerstab und Spieler zur Rede stellt. Vor einigen Jahren wurde der Mannschaftsbus auf der Heimreise von Ried angehalten.

Kapitel 1: Der Sturm

Aber nein. Um Mitternacht wurde die Geschäftsstelle gestürmt. Dutzende teilweise vermummte Anhänger verschafften sich via Parkgarage Zutritt, es soll laut Augenzeugen fürchterlich gewesen sein. Am Tag darauf folgten die Rücktritte von Präsident Martin Bruckner und Wirtschaftsgeschäftsführer Christoph Peschek. 24 Stunden später wurden sie offiziell bestätigt, wobei beide bis zur Hauptversammlung am 26. November die Geschäfte weiterführen. Auf der Tribüne ging es während des Spiels heftig zu. Die "Alte Garde", ein dem Rechtsextremismus nicht abgeneigter Fanklub, hatte einen Vertreter der "Lords", die auch keine Waserln sind, krankenhausreif geprügelt.

Am 28. August, beim Heimspiel gegen Sturm Graz (1:2), war Revanche angesagt. Die Polizei hat im letzten Moment Wind davon bekommen, eine Massenschlägerei konnte verhindert werden. Der Alten Garde wurde der Zutritt ins Stadion verwehrt. Mittlerweile sollen sich die Fangruppen ausgesprochen haben. Es ist schon pervers, Sympathisanten des gegnerischen Vereins zu verdreschen, aber auf sich selbst loszugehen ist eine Steigerung, eine neue Facette des Wahnsinns. Gemeinsam kämpfen, gemeinsam siegen, steht im Leitbild. Und Toleranz soll gelebt werden.

Kapitel 2: Die Stimmung

Rapid agiert wie ein wild gewordener Kleingartenverein. Es wird gestritten, intrigiert, die Stimmung ist katastrophal, es geht um persönliche Eitelkeiten. Und um Verschwörungstheorien, wobei Bill Gates in Hütteldorf keine Rolle spielt. Im Zentrum steht ausgerechnet Steffen Hofmann, der Fußballgott, der nun Sportkoordinator ist. Er soll einen Putsch angezettelt haben, wolle selbst Präsident werden. Was insofern eine kühne These ist, als es sich um ein Ehrenamt handelt. Familienvater Hofmann braucht ein Einkommen. Zudem gilt er als harmoniesüchtig, ihm geht es tatsächlich um das Wohl von Rapid.

Bruckner sagte: "Ein Rapid-Präsident ist ein einsamer Mensch." Er legte das Amt eher defensiv an, sah sich als Chef des Aufsichtsrats. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern, dem seligen Rudolf Edlinger und Michael Krammer. Seit der Umwandlung von Fußballklubs in Kapitalgesellschaften liegt die Verantwortung bei den Geschäftsführern, die das Präsidium bestimmt. Ansonsten ist die Macht begrenzt, nur bei der Bestellung des Cheftrainers und bei teuren Transfers (ab ca. 1,5 Millionen Euro) muss es gefragt werden. Bruckner: "Dieser Mitgliederverein muss im dritten Jahrtausend ankommen. Er ist nicht führbar. Man lähmt sich." Rapid hat mehr als 16.000 Mitglieder.

Pescheks Abgang kam doch überraschend. Zumal er von den Ultras geduldet wurde. Warum es zum Zerwürfnis kam, bleibt ein Rätsel. "Ich weiß nicht, weshalb ich für das 0:1 gegen Vaduz verantwortlich sein soll", sagte Peschek, dem ein nicht ganz einfaches Ego nachgesagt wird. Wirtschaftlich steht Rapid gut da, man schreibt schwarze Zahlen, das Eigenkapital ist gewachsen.

Die Gewinne stammen großteils aus Transfererlösen und Europacup-Einnahmen. Dafür ist die sportliche Führung verantwortlich. Zoran Barisic ist eine der wenigen Konstanten. Er ist uneitel, kein Selbstdarsteller. Auch Barisic ist angeschlagen, die meisten Transfers im Sommer waren nicht das Gelbe vom Ei (Pejic, Koscelnik, Kerschbaum, Sollbauer etc.). Rapid stellt die meisten Nachwuchsteamspieler. Das Konzept, Kicker zu entwickeln und dann zu verkaufen, geht prinzipiell auf. Nur die Verweildauer ist zu kurz, siehe Robert Ljubicic, Leo Greiml oder Emanuel Aiwu. Rapid ist kein Sehnsuchtsziel, sondern ein Fluchtort. Vielleicht ist der Druck, die Wucht von der Tribüne zu groß. Rapid tat sich in den Corona-bedingten Geisterspielen leichter, der Punkteschnitt war in der Leere weit höher als in der vollen Hütte. Angst essen Seele auf. Und Rapid.

Kapitel 3: Die Unschuldsvermutung

2019 kam es bei der Präsidentenwahl zur Stichwahl. Bruckner setzte sich gegen die Liste Roland Schmid durch. Schmid wollte später ÖFB-Präsident werden, da stand ihm Gerhard Milletich im Weg. Nun kümmert er sich durchaus erfolgreich um die Vienna.

Eine Person, die immer wieder auftaucht und quasi ewig schon da ist, ist der Immobilien-Investor Michael Tojner, Mehrheitseigentümer von Varta. Er wollte vor drei Jahren selbst kandidieren, unterstützte dann Schmid. Tojner zahlt Rapid im Jahr 400.000 Euro, also Peanuts. Die Hälfte davon holt er sich durch die Untervermietung seiner Loge zurück. Die Werbebanner im Stadion für Varta sind inkludiert. Tojner steht im November vor Gericht, ihm wird in der Causa Heumarkt (Fall Christoph Chorherr) Bestechung vorgeworfen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Auch für Rapid gilt die Unschuldsvermutung. Man scheitert an der eigenen Vergangenheit, verkennt Realitäten, träumt von warmen Eislutschern, reißt permanent die zu hoch gelegte Latte. Der letzte Titel stammt von 2008. Es liegt nicht nur an Red Bull Salzburg.

Bei der Präsidiumswahl soll es nur eine Liste geben. Andy Marek, der ehemalige Stadionsprecher und Chef des Klubservice, hat abgelehnt. Er hat einen bummvollen Terminkalender, moderiert Veranstaltungen, singt auch. Zudem ist er im niederösterreichischen Wahlkampf für die ÖVP eingebunden, unterstützt Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Abgesehen davon ist sein Sohn Lukas bei Rapid der Nachfolger, die Optik wäre suboptimal.

Kapitel 4: Die Liste

Laut STANDARD-Information hat sich eine Gruppe gebildet. Sie gibt am 16. September eine Pressekonferenz, zwei Tage später müssen die Unterlagen beim Wahlkomitee (Vorsitz Erich Haider) eingelangt sein. Hearings folgen. Der Liste gehören u. a. an: Gewerkschafter Franz Binderlehner, Birgit Trojan (Brauerei Schrems), Alban Caslli (Unternehmer), Oliver Stauber (Anwalt), Markus Posset (Honorarkonsul, Medienmanager). Sie wollen Einheit und Andreas Herzog als Chefcoach. Bei Rapid herrscht nach Siegen (kommen ab und zu vor) nur Erleichterung, keine Freude. Am Samstag war man davon meilenweit entfernt: 1:3 gegen den Wolfsberger AC, die Leistung in den ersten 30 Minuten war desaströs. Rufe und Mechanismen setzten ein. "Feldhofer raus". "Barisic raus". Noch ist Ferdinand Feldhofer im Amt. Nächster Gegner ist auswärts Salzburg.

Möglicherweise wäre all das ohne Vaduz nicht passiert. Aber es könnte auch nur ein Brandbeschleuniger gewesen sein. (Christian Hackl, 12.9.2022)