Die Ortsorganisationen der Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend Tirol müssen 816.000 Euro zurückzahlen.

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Im Funktionärshandbuch der Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend lernt man viel: etwa dass man bei Veranstaltungen "für hochwertige Speisen, wie beispielsweise aus dem Kochbuch 'Große Küche, kleine Küche – Das regionale Festekochbuch'" am besten das traditionelle Geschirr verwendet, während bei "kleinen Mahlzeiten" die Methode "Ab ins Brot" funktioniert. Wichtig ist natürlich auch die Reihenfolge, in der bei Veranstaltungen Gäste begrüßt werden: zuerst Bischof, Abt und Pfarrer, dann Mitglieder von Regierung und EU-Kommission, dann erst der Landeshauptmann, schließlich die Landesbäuerin, die Presse (vorletzter Platz) und die Veranstalter selbst.

Man lernt aber auch, dass die Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend (TJB/LJ) "die Jugendsektion des Tiroler Bauernbundes" ist, die immerhin 18.000 Mitglieder haben soll – ungefähr so viele wie der Tiroler Bauernbund selbst. Und der sieht sich wiederum als "größte Teilorganisation der Österreichischen Volkspartei". Also: Die Organisation ist die Jugendsektion eines Teils der ÖVP.

Zum Thema wurde das, weil die Ortsorganisationen der TJB/LJ insgesamt über 850.000 Euro an Förderungen durch den NPO-Corona-Fonds erhalten haben sollen – bei dem Parteiorganisationen eigentlich ausgeschlossen sind. Eine Reihe von parteinahen Vereinen, vor allem in der schwarz-türkisen Einflusssphäre, hatte allerdings viel Geld erhalten. Deshalb prüfte nun das zuständige Sportministerium von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) – und dort kam man zu der Erkenntnis, dass 816.000 Euro zurückgezahlt werden müssen.

Teil des Bauernbunds

Bettina Hechenberger, Landesleiterin der TJB/LJ, und Dominik Traxl, Landesobmann, meinten zuvor auf Anfrage, die Ortsorganisationen seien "im Sinne der Bundesabgabenordnung als gemeinnützig einzustufen". Sie seien eigenständig organisiert und erfüllten soziale und gemeinnützige Aufgaben. Und: Durch eine Mitgliedschaft bei einem Ortsverein der TJB/LJ sei man keineswegs Mitglied beim Bauernbund und somit bei der ÖVP. Die Juristen im Vizekanzleramt sahen das anders: Die Vereine seien als Teil des Bauernbunds anzusehen

Auch abseits von Corona gab es Förderungen: Die TJB/LJ erhielt bis 2021 jährlich 3.500 Euro aus dem Ressort der damaligen Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), die einst sowohl Bundesleiterin der Landjugend (bis 2006) als auch Bundesobfrau der Jungbauern (bis 2012) war. Das ist nicht dasselbe, weil die Jungbauernschaft und die katholische Landjugend eben nur in einigen Bundesländern wie Tirol eine gemeinsame Organisation haben.

Teil der Kammer

Warum fördert das Ministerium die Jugendorganisation einer Partei? Tut es nicht, heißt es auf Anfrage aus dem Landwirtschaftsressort. "An dieser Stelle ist festzuhalten, dass es sich bei der Landjugend um keine Partei-Organisation handelt. An Teilorganisationen von Parteien – wie beispielsweise die JVP – wurden keine Förderungen des BML ausgezahlt", sagt eine Sprecherin.

Doch wie passt das damit zusammen, dass die TJB/LJ sich als Jugendsektion des Bauernbunds bezeichnet?

"Nach den uns vorliegenden Informationen wird die Landjugend Tirol als ein eigenständiger Verein – mit eigener Geschäftsführung, eigenen Obleuten – geführt und ist direkt in der Landwirtschaftskammer angesiedelt", sagt das Ministerium. Und siehe da: Laut Organigramm beschicken Bauernbund und Landwirtschaftskammer Tirol die TJB/LJ tatsächlich gemeinsam: Da gibt es das Jungbauern-Sekretariat und das Landjugend-Referat; wobei Letzteres bei der Landwirtschaftskammer sitzt und beispielsweise für Allgemeinbildung, Homepage und Zeitung zuständig ist, während Pressearbeit und Werbemitteleinkauf durch den Landesgeschäftsführer im Jungbauern-Sekretariat erledigt werden.

Inserate des Landes?

Das erlaubte wiederum einige Förderungen und anderweitige Unterstützungen. So wird "Logo", das TJB/LJ-Magazin, von Bundeskanzleramt, Landwirtschaftsministerium und Land Tirol unterstützt. Das Ministerium unterstützt die Zeitschrift sogar "als Lehrbehelf für land- und forstwirtschaftliche Schulen". Auch Inserate des Landes Tirol finden sich dort.

Teilen sich also die überparteiliche Tiroler Landwirtschaftskammer und der Bauernbund Tirol eine Jugendorganisation? Nein, meint Hechenberger: Es gebe eine "klare Trennung zwischen der Jugendarbeit des Tiroler Bauernbundes und der Landwirtschaftskammer". Für Letztere gebe es eben die Tiroler Landjugend, die "im Ländlichen Fortbildungsinstitut der Landwirtschaftskammer Tirol angesiedelt" sei.

Und was ist dann eigentlich die Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend? "Der Tiroler Bauernbund ist ein Verein. Die Landesorganisation der Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend ist eine Sektion im Tiroler Bauernbund und damit kein eigener Verein", erklärt Hechenberger. "Die Sektion Jungbauernschaft/Landjugend und die Landjugend Tirol sprechen vielfach die gleiche Gruppe an, wobei die Landjugend Tirol die Bildungsagenden exklusiv betreut." Und wer auf der Webseite der österreichischen Landjugend die Landesorganisation Tirol anklickt, kommt zur Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend. Alles klar?

Erhellen soll die Angelegenheit der parlamentarische U-Ausschuss, der sich am Donnerstag mit Tirol beschäftigt. Geladen ist Jungbauern-Obmann Traxl.

Platter verteidigt Jungbauern

Ausgesprochen heftig reagierte Tirols Noch-Landeshauptmann Platter auf die Rückzahlungsaufforderung. Die Jungbauern seien ein "nicht wegzudenkender Bestandteil des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens in Tirol", an ihrer "Gemeinnützigkeit" bestehe "überhaupt kein Zweifel", sagte Platter, der sich im laufenden Landtagswahlkampf sonst öffentlich großteils zurücknimmt. "Es ist deshalb geradezu absurd, dass die größte Jugendorganisation unseres Landes jetzt den Preis für die offensichtliche Unfähigkeit der im grünen Vizekanzleramt angesiedelten Förderabwicklungsstelle zahlen soll", schoss Platter scharf in Richtung Wien und Koalitionspartner. Immerhin sei das Geld nach erster Prüfung "ohne Bedenken ausbezahlt" worden, hielt Platter fest.

Für den grünen Tiroler Spitzenkandidaten und Koalitionspartner der ÖVP, Gebi Mair, ist nun "die unrechtmäßige Bereicherung amtlich geworden", wie er in einer Aussendung erklärte. Dass die Gelder für gemeinnützige Vereine und nicht für politische Parteien und deren Teilorganisationen vorgesehen gewesen seien, "wussten alle Verantwortlichen". Mair würde "vor Scham im Boden versinken, überhaupt so einen Antrag zu stellen". Tirols ÖVP-Chef Anton Mattle habe es "verabsäumt, ein moralisches Ausrufezeichen zu setzen", indem man die Gelder freiwillig zurückbezahlt hätte. Mair forderte nun "lückenlose Transparenzregeln" in Tirol.

Kein "Selbstbedienungsladen"

Scharfe Kritik an der ÖVP kam erwartungsgemäß von der Opposition. "Die Republik ist kein Selbstbedienungsladen, auch wenn die österreichische Volkspartei das seit Jahrzehnten so handhabt und ohne Genierer in jeden Steuertopf greift", kritisierte Neos-Generalsekretär Douglas Hoyos in einer Aussendung. "Wenn die ÖVP noch einen letzten Funken Anstand besitzt, zahlt sie alle zu Unrecht bezogenen Förderungen sofort zurück."

Die "Schamlosigkeit des ÖVP-Fördergeldmissbrauchs ist beispiellos", befand auch FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker in einer Aussendung. Hafenecker vermutete zudem, dass der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Prüfergebnisse kurz vor der Tiroler Landtagswahl und den Auftritten der Tiroler Protagonisten im Untersuchungsausschuss diese Woche "wohl kein Zufall" sei. Dies zeige, "dass die ÖVP handlungsunfähig und die schwarz-grüne Koalition am Ende ist".

Er fordere ÖVP-Chef Kanzler Karl Nehammer seit Monaten auf, alle zu Unrecht erhaltenen Förderungen zurückzuzahlen, meinte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch – doch der schon wieder vollkommen abgetauchte ÖVP-Chef spiele auf Zeit und zeige einmal mehr, "dass er keinen Anstand und keine Moral hat". Die Republik sei "kein türkiser Geldautomat", betonte Deutsch per Aussendung. (Fabian Schmid, 12.9.2022)