"Die Kundschaft, die ich teilweise habe, ist nicht so stark von der Inflation betroffen", sagt der Champagnerhändler Fritz Blauert.

Foto: Sascha Aumüller

"Man unterschätzt das: Die Anbaufläche in der Champagne ist fast so groß wie gesamte österreichische, außerdem wächst dort doppelt so viel pro Hektar", erklärt Fritz Blauert.

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"Es gibt viel Halbwissen bei Champagner. So sind etwa die Perlen bei einer geöffneten Flasche nicht schon nach einem Tag aus der Flasche entwichen, wenn die Qualität stimmt."

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Das Geschäft gibt es seit vier Jahren, doch meinen Beruf mit einem Begriff zu beschreiben fällt mir schwer. Ich bin Händler, Berater, Webdesigner und auch wie ein Journalist, weil ich viel über meinen Champagner recherchiere und schreibe. Ich bin also Allrounder, aber "Champagner-Handel und -Beratung" trifft es wohl am besten. Auch davor war ich bereits im Handel tätig, unter anderem bei Lidl – das war Hardcore-Massendiscounthandel. Dabei bin ich gelernter Koch und nach Wien gekommen, um den Beruf hier auszuüben. Für die Sommelier-Diplomprüfung war ich x-mal angemeldet, habe es aber nie zu Ende gebracht, denn irgendwas war immer: Jobwechsel, Kinder ...

Komplett fokussiert

Früher kannte ich mich sehr gut mit österreichischen Weinen aus, aber mittlerweile bin ich komplett auf Champagner fokussiert, auch im Privaten. Manchmal kommt die Frage: warum "nur" Champagner? Aber man unterschätzt das, denn die Anbaufläche in der Champagne ist fast so groß wie gesamte österreichische, außerdem wächst dort doppelt so viel pro Hektar. Ich beschäftige mich jetzt gut zehn Jahre mit Champagner, und immer wieder stoße ich auf Winzer, die ich noch nicht kenne.

Im Vorhinein bezahlen

Wir haben derzeit zwischen 300 und 400 Labels im Sortiment, neue dazuzunehmen ist aber gar nicht so einfach. Zum einen wegen der Lagerfläche, zum anderen wegen der hohen Kosten. Die Champagne ist wahrscheinlich das einzige Weingebiet der Welt, wo man die Ware immer im Vorhinein bezahlen muss, und die Lieferung dauert dann drei bis vier Wochen.

Ich bin bisher auch nur auf einen einzigen Winzer in der Champagne gestoßen, der seine Preise temporär einmal gesenkt hat. Normal ist, dass es pro Jahr um fünf Prozent aufwärts geht mit den Preisen, aktuell ist es etwas mehr. Winzer in der Champagne bringen ihre Ware immer an. Deshalb geht als Händler auch viel darum, den Winzern zu vermitteln, warum ihr Champagner bei mir im Geschäft gut aufgehoben ist. Denn würde ich ihn nicht kaufen, kauft ihn jemand anderer. Manchmal ist es für mich schwieriger, die Ware zu bekommen als sie zu verkaufen.

Gutes Weinwissen

Viele meiner Kunden hatten schon vorher eine recht klare Vorstellung, was sie wollen, und haben nur den passenden Händler dafür gesucht. Die Wienerinnen und Wiener verfügen grundsätzlich über ein gutes Weinwissen. Ich denke, es hapert nur da und dort mit dem Umlegen dieses Wissens auf Champagner. So sollten auch ältere Champagner rechtzeitig dekantiert und in einem angemessen bauchigen Glas serviert werden. Es gibt viel Halbwissen. So sind etwa die Perlen bei einer geöffneten Flasche Champagner nicht schon nach einem Tag aus der Flasche entwichen, wenn die Qualität stimmt.

Oft kommt es mir so vor, dass Champagner im Gegensatz zu einer teuren Flasche Rotwein nicht auf dieselbe Weise sorgsam behandelt wird. Aber die Verwunderung ist dann schon da, wenn der Champagner nicht wie erwünscht performt. Wahrscheinlich hat das damit zu tun, dass Champagner häufig auf Festen getrunken wird. Da muss es oft schnell gehen, der Genuss ist zweitrangig.

Viele Online-Bestellungen

Von Beginn an haben wir im Capsule auch Onlinehandel betrieben, wobei dieser am Anfang wenig in Anspruch genommen wurde. Seit der Pandemie bemerken wir nun, wie sehr diese Sparte wächst. Das ist wunderbar, wäre der Onlinehandel nicht so aufwendig. Man muss sich mit der Software dahinter, der Logistik und Dingen wie einem ordentlichen Newsletter beschäftigen. Es wird nun immer noch sehr viel online bestellt, obwohl wir alle wieder rausgehen können. Aber viele Leute haben sich an den Komfort einer Lieferung nach Hause gewohnt.

Angeblich ist der Alkoholkonsum in Österreich in der Pandemie um 15 Prozent gestiegen, das hatte auch Auswirkungen auf mein Geschäft. Ich dachte nur eigentlich, das geht jetzt wieder zurück. Tut es aber bislang nicht. Anderseits sehe ich, wie sich die Arbeitswelt durch Corona verändert hat, auch an unserem gastronomischen Teil des Geschäfts. Der ist schwerer einzuschätzen. Die Leute sind viel flexibler geworden und kommen zu nicht mehr vorhersehbaren Zeiten und Wochentagen auf ein Glas vorbei.

Gesellschaftliche Schere

Mir ist schon bewusst, dass sich mein Geschäft in einer Bubble abspielt. Tatsächlich ist die Kundschaft, die ich teilweise habe, nicht so stark von der Inflation betroffen. Nehmen Sie etwa einen Hausbesitzer – der gibt die gestiegenen Kosten einfach in Form höherer Mieten weiter. Man sieht beim Verkauf von Champagner auch ganz gut, wie weit die gesellschaftliche Schere auseinandergeht. Denn es ist für mich schwieriger, die Flasche Champagner um 80 Euro als jene um 500 Euro zu verkaufen. Ich bezeichne Champagner eigentlich nicht gerne als Luxusprodukt, muss aber eingestehen: Es ist wohl doch eines, weil Krisen den Kauf von Luxusprodukten sogar befeuern. Genau das geschieht gerade.

Alternatives Investment

Auch der alternative Investmentbereich wird für mich immer wichtiger – gerade mit der hohen Inflation. Ein plakatives Beispiel: Ende 2021 hat eine Flasche Dom Pérignon 179 Euro gekostet, bis September waren es 210, und aktuell liegt der Preis bei 220 Euro. Das sind in nicht einmal einem Jahr 40 Euro Preisanstieg. Europaweit gibt es nun Interesse an Champagner als Investment und dabei auch ähnliche Entwicklungen wie bei anderen Luxusprodukten.

Wäre ich vor fünf Jahren zum Händler gegangen in der Absicht, eine Rolex zu kaufen, hätte ich nach fünf Prozent Rabatt bei Barzahlung gefragt. Heute fragt er mich, wie viel Umsatz ich denn schon bei ihm gemacht habe, damit ich überhaupt eine Rolex bekomme. Das ist beim Champagner ähnlich. Wenn jemand sehr viel übers Jahr bei mir kauft, ist es klarerweise ein Anreiz und ein Dankeschön, wenn ich ihm dafür eine seltene Flasche als Investment besorgen kann.

Kein Trendprodukt

Vor zwanzig Jahren hätte mein Geschäft vermutlich auch schon funktioniert. Das liegt daran, dass Champagner einfach kein Trendprodukt ist. Nur was man damit macht, ist vielleicht Moden unterworfen. So würde es mich nicht wundern, wenn man in zwanzig Jahren beim Champagnertrinken vielleicht wieder umschwenkt von großen Weingläsern auf Sektflöten. Trotzdem hoffe ich, dass das nicht passiert. (Sascha Aumüller 2.10.2022)