Der Brau Union wird von der Wettbewerbsbehörde vorgeworfen, ihre Marktmacht missbraucht zu haben. Der Konzern bestreitet das und rechnet mit einer Einstellung.

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Razzien sind schon per se eine heikle Angelegenheit. Wenn die Behörde dabei aber auch noch auf Korrespondenz zwischen dem Beschuldigten und seinen Anwälten stößt, wirft das zusätzliche Probleme auf: Dürfen die Ermittlerinnen und Ermittler diese vertraulichen Dokumente von sich aus sicherstellen? Oder müssen sie versiegelt und an ein Gericht überstellt werden, das darüber entscheidet? Zuletzt haben sich diese Fragen im Zuge der Razzia der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) bei der Brau Union gestellt. Die Folge war ein Verfahren vor dem Kartellgericht.

Zur Erinnerung: Die Wettbewerbshüter verdächtigen die Brau Union, ihre Marktmacht missbraucht und Druck auf regionale Getränkelieferanten ausgeübt zu haben. Die Vertragspartner sollten neben Bier auch andere Getränke ausschließlich von der Union beziehen. Der Konzern bestreitet das.

Die Razzia im April hat nun aber ein weiteres Verfahren ausgelöst, weil die Behörde dabei auf Anwaltskorrespondenz gestoßen ist. Im europäischen Wettbewerbsrecht ist die Rechtslage in solchen Fällen eindeutig: Findet die Europäische Kommission bei einer Hausdurchsuchung etwa auf einem Laptop Korrespondenz mit Rechtsvertretern, kann das betroffene Unternehmen unter Berufung auf das Anwaltsprivileg den Zugriff verweigern und die fragliche Korrespondenz versiegeln lassen. Später entscheidet eine unabhängige Stelle darüber, welche Dokumente tatsächlich dem Anwaltsprivileg unterliegen und damit nicht für die Ermittlungen verwendet werden dürfen.

Schutzstandard niedriger

Bei rein nationalen Fällen – wie im aktuellen Verfahren gegen die Brau Union – ist das jedoch anders. Das Anwaltsprivileg wird von den Wettbewerbshütern in der Praxis zwar respektiert, ist im österreichischen Wettbewerbsrecht aber nicht explizit geregelt. Im Vergleich zur Rechtslage auf EU-Ebene gibt es daher einen nicht unwesentlichen Unterschied: Wird Anwaltskorrespondenz beim Unternehmen gefunden, bleibt sie im Akt. Die Beurteilung, ob sie dem Anwaltsprivileg unterliegt und damit nicht im Verfahren verwendet werden darf, trifft dann nicht eine unabhängige Stelle, sondern die ermittelnde Behörde selbst.

Aus Sicht von Franz Urlesberger, Partner bei Schönherr und Anwalt der Brau Union, ist die österreichische Rechtslage problematisch. Denn die Behörde wirft zumindest einen "flüchtigen Blick" auf die Unterlagen, um zu wissen, ob sie unter das Privileg fallen oder nicht. Die Unternehmen müssen also darauf vertrauen, dass die Sachbearbeiter die Akten nicht doch genauer ansehen. "Das möchte ich der Behörde zwar nicht unterstellen, aber das Schutzlevel ist einfach nicht dasselbe wie auf europäischer Ebene", merkt Urlesberger im Gespräch mit dem STANDARD kritisch zur österreichischen Rechtslage an.

Der Anwalt stellte daher im aktuellen Fall beim Kartellgericht den Antrag, dass das Privileg genauso weit reicht wie auf EU-Ebene. Das Gericht hat das Ansinnen nun aber mit Verweis auf die österreichische Gesetzeslage abgelehnt. Damit sich der Rechtsschutz verbessert, müsste das Wettbewerbsgesetz also an den Standard bei EU-Verfahren angepasst werden, sagt Urlesberger.

Neuer Leitfaden

Die BWB betont, das Anwaltsprivileg zu respektieren. Ende Juli veröffentlichte sie einen neuen Leitfaden für Hausdurchsuchungen. Dort heißt es, dass die BWB "den Schutz des Schriftverkehrs zwischen dem Unternehmen und einem unabhängigen Anwalt" anerkennt. Die Kriterien, die der Europäische Gerichtshof festgelegt hat, werden "im Einzelfall genau geprüft." Anwalt Martin Eckel von Taylor Wessing sieht das positiv. Der Leitfaden ist für die Behörde zwar nicht Gesetz, entfaltet für sie aber eine Selbstbindung. (Jakob Pflügl, 13.9.2022)