Der Gaspreis steigt, und der Zähler läuft. Die warme Stube wird teurer, das steht bereits fest.

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Wien – Es sind nur mehr wenige Tage. Am 30. September läuft die Frist für tausende Wien-Energie-Kunden ab, in der sie sich für bis zu hundert Gratistage bei Strom und Gas anmelden können. Es geht um den umstrittenen Tarif "Optima entspannt" für Haushaltskunden, der sowohl Strom- als auch Gaslieferungen umfasst.

"Optima entspannt" ist, das lässt sich aus den dürren Informationsschreiben, die Kunden Mitte August zugeleitet wurden, teurer als das bisherige Standard-Tarifmodell "Optima", wie es hunderttausende Haushaltskunden in Wien hatten. Allerdings lockt Wien Energie mit einer Preisgarantie für ein Jahr und bis zu hundert "Gratis-Tagen". Letztere sollen preisdämpfend wirken, sind aber an Bedingungen geknüpft sind, etwa die dauerhafte Umstellung auf Online-Rechnung (statt Papier) und den Besitz einer Wiener-Linien-Jahreskarte.

Bremse und gratis?

Mit der angekündigten Strompreisbremse dürfte das neue Tarifmodell aus derzeitiger Sicht nicht kollidieren. Zwar kann die Preisbremse an einem Gratistag genau genommen nichts bremsen, aber verrechnungstechnisch läuft es anders: Die Gratistage sind keine bestimmten Tage in jedem Monat, sondern sie werden rechnerisch ermittelt, indem der Jahresverbrauch durch 365 Tage dividiert wird (bei einzelnen Modellen können es auch weniger Tage sein). Das Ergebnis ist der rechnerische Tagesverbrauch, der gesammelt vom Jahresverbrauch abgezogen wird.

Aus dem sohin verminderten Verbrauch ergibt sich der Jahresverbrauch, von dem dank Strompreisbremse ab Dezember bis zu 2.900 Kilowattstunden (KWh) zu 10,0 Cent pro KWh (netto, also ohne Mehrwertsteuer) verrechnet werden. Der höhere Optima-Preis sollte durch die Bremse also vermindert werden – wie jeder andere Stromtarif auch.

Aber Genaueres weiß man nicht, denn das Gesetz und damit die Details der Strompreisbremse liegen noch nicht vor.

Fall für Konsumentenschützer

So weit die Theorie. In der Praxis ist bei "Optima entspannt" alles viel komplizierter. Das neue Tarifmodell von Wien Energie ist rechtlich umstritten und hat Konsumentenschützer längst auf den Plan gerufen. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) stellt den mit 1. September vorgenommenen Tarifwechsel grundsätzlich infrage, weil Haushaltskunden automatisch in den neuen Tarif migriert werden und lediglich Widerspruch gegen einen Zwangswechsel einlegen können bzw. konnten.

Auch die gewährten Gratistage scheinen problematisch, denn auf die angepriesenen hundert Tage kommt nur, wer sich online anmeldet und dabei die Nummer seiner Wiener-Linien-Jahreskarte hinterlegt. Wer sich analog mit der beiliegenden Postkarte anmeldet, bekommt maximal 80 Gratistage.

Aus Bonus wird Malus

Der Verbraucherschutzverein (VSV) warnte genau deshalb vor Diskriminierung. Die Postkarte für den Bonus könne rasch zum Malus werden. Denn das Ansuchen um Gratistage kann weitreichende Folgen haben. Es könnte zugleich als Zustimmung zum Tarifwechsel gewertet werden. Eine nachträgliche Bekämpfung, etwa im Zuge eines Sammelverfahrens des VKI, wäre dann nicht mehr möglich.

Der VKI rät deshalb, die Gratis-Strom-Tage oder Gratis-Gas-Tage anzufordern, aber unter Vorbehalt: "Fordern Sie die Gratis-Tage nur vorbehaltlich der rechtlichen Prüfung, dass Preiserhöhung und Vertragsumstellung zulässig waren", heißt es beim VKI. Dafür genügt ein Schreiben oder E-Mail an Wien Energie oder der Vermerk auf der Antwortkarte: "Vorbehaltlich der Zulässigkeit der Preiserhöhung bzw. Tarifumstellung".

Befristet eingefroren

VSV-Obmann Peter Kolba empfiehlt darüber hinaus, beim Gaspreis genau nachzurechnen. Vorteilhaft sei "Optima entspannt" nämlich nur in Kombination mit den Gratistagen. Andernfalls wäre der alte Optima-Tarif günstiger.

Wie sich Strom- und Gaspreise nach dem einen Jahr Preisbindung gestalten, ist nicht absehbar. Von einer saftigen Erhöhung ist auszugehen, denn Wien Energie darf die Preise seit September zweimal pro Jahr erhöhen, aber nur eine Anhebung fällt im "Entspannt"-Tarif weg. (Luise Ungerboeck, 12.9.2022)