Das Mehl ist von der Kultmühle Caputo, der Mozzarella von Fratelli Beneduce aus Sant’Anastasia am Nordhang des Vesuvs, die Friarielli im Glas direkt aus Neapel, der Prosciutto nur aus San Daniele und die rote Sauce ausschließlich aus Flaschenparadeisern, die ihre Kraft aus der vulkanischen Erde von San Marzano schöpfen. Klingt nach der nächsten Hipsterpizzeria mit eh liebem Authentizitätsversprechen und Premiumpreisen, mit denen die wöchentlichen Barbershop-Audienzen des Teams mitfinanziert werden? Nix da.

Ahmad Nouri hat ein Kebab-Schnitzel-Cevapcici-Standl mit dem suggestiven Namen Bunt Food in der Goldschlagstraße, vor ein paar Monaten ergab sich die Gelegenheit, ein zweites in der Hinteren Zollamtsstraße, direkt hinter der Zentrale der Wiener Rettung und, zumindest nominell, in unmittelbarer Innenstadtnähe zu übernehmen. Dass der Standort in Wahrheit ein total hiniches Eck im Todesschatten des Bundesamtsgebäudes ist, hinderte den aus Persien gebürtigen Wiener nicht, hier "etwas wirklich Gutes" auf die Beine stellen zu wollen. "Ich hab auf subito.it eine Anzeige geschaltet, dass ich einen neapolitanischen Pizzaiolo brauche, der bereit ist, nach Wien zu kommen. Hat super funktioniert." Womit dem Cibo Colorato (Bunt Food auf Italienisch, Anm.) nichts mehr im Weg stand.

Vincenzo Iovine (li.) und Ahmad Nouri (re.): Topzutaten und Napoli-Know-how für ein gut verstecktes Pizzastandl im Dritten.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Gemeldet hat sich Vincenzo Iovine, Neapolitaner, zertifizierter Pizzakoch, Weltenbummler, der zuletzt in Monte Carlo und davor in Griechenland am Pizzaschupfen war. Iovine verlangte nach authentischen Zutaten, Nouri lieferte, es konnte losgehen. Das mit dem Holzofen ging sich nicht aus, wir haben hier schließlich Magistratsabteilungen. Egal: Auch der E-Ofen kann über 400 Grad. Mittlerweile bilden sich mittags wie abends Schlangen vor dem winzigen Standl mit den drei Outdoortischen. Tipp: Vorbestellen!

Iovine empfiehlt "La Zucca" mit hausgemachter Kürbiscreme statt roter Sauce, was bei der fundamentalistischen Bibeltreue, die Pizzaioli sonst gern vor sich hertragen, doch stutzig macht. Aber der Mann weiß, was er macht, die Pizza ist tatsächlich der Hammer: Ideal elastischer, am Rand knusprig aufgeworfener Teig, die Salsa zart pikant und keineswegs zu süß, die Scheiben von der Pancetta arrotolata (nicht geräuchert, wie es sich bei Speck gehört!) unwiderstehlich würzig und knusprig angekokelt, dazu reichlich echten Parmesan obendrauf: Jössas, ist das gute Pizza.

Die Pizza "La Zucca".
Foto: Gerhard Wasserbauer

Panino aber echt jetzt

Klassische Margherita kann er auch, die Paradeisersauce fruchtig, süß, nur zart säuerlich, die Fior di latte ziehig, richtig gut. Ein eigenes Kapitel ist die Regina, extrem reichhaltig mit San Daniele belegt, auch da kommt Parmesan (der in mächtigen Brocken im Kühlschrank neben der Ausgabe lagert) drauf – eine Pizza, die tatsächlich für zwei reicht. Jene mit Pistaziencreme und Mortadella hält nicht ganz, was sie verspricht, irgendwie scheint da einfach zu viel Fett auf einmal zusammenzukommen, bei gleichzeitig nur mäßig ausgeprägtem Geschmacksprofil. Umso bemerkenswerter die Panini, die Vincenzo aus selbst (und natürlich aus Pizzateig) gebackenen Laberln macht. Um schlappe sechs Euro bekommt man da ein Weltklassesandwich frisch aus dem Ofen, mit geschmolzenem Mozzarella, mit einer ordentlichen Portion Porchetta drin und mit anständig Friarielli (wie die Cime di rapa in Neapel heißen) für die fruchtig bittere Note. Panini mit San Daniele und Mozzarella oder San Daniele und gegrillter Artischocke ("Superbo") gibt’s auch, da war trotz treuergebener Pflichterfüllung aber keine Kapazität mehr frei. (Severin Corti, 15.9.2022)

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