Dass für die Vienna Design Week nicht mehr die ganz große Werbetrommel gerührt werden muss, ist gut. Sehr gut sogar. Denn das Festival, das längst auch international Anklang und Beachtung findet, ist nun seit 16 Jahren eine der wichtigsten Instanzen, um das mitunter nicht besonders ausgeprägte Bewusstsein für Design hierzulande weiter zu fördern und zu vertiefen. Mit jährlich rund 200 Veranstaltungen, die von 40.000 Menschen besucht werden, ist es den Designfestspielen gelungen, aufzuzeigen, was Gestaltung alles sein kann. Ihr Programm schafft es Jahr für Jahr, für Aha-Erlebnisse zu sorgen und darauf hinzuweisen, dass es sich bei Design keineswegs um bloße Oberflächenbehübschung handelt, sondern um etwas, das in so gut wie jeden Lebensbereich eingreift.

Die Talks, Workshops, Ausstellungen etc. beziehen sich auf Produkt-, Grafik- und Industriedesign ebenso wie auf Architektur, Handwerk, Social Design, Fragen aus der Welt der Kulinarik und Aspekte des Stadtlebens.

Empfehlungen

So wie jedes Jahr ist es auch in diesem unmöglich, auf alle Programmpunkte an etlichen Locations der Vienna Design Week einzugehen, deshalb seien ein paar ganz besondere Projekte aus der Liste des Programms angestrichen und empfohlen.

Die Vienna Design Week wäre nicht die Vienna Design Week, hätte sie keinen Fokusbezirk. Im heurigen Jahr wählte das Team rund um Design-Week-Direktor Gabriel Roland, der im vergangenen Jahr Lilli Hollein an der Spitze ablöste, den sechsten Bezirk als Ort im Rampenlicht. Festivalzentralen befinden sich in der Mollardgasse 50, der Rahlgasse 8 sowie der Esterházygasse 22.

Beim neuen Festivalformat namens Fokus geht es unter anderem um die Ausdruckskraft, die einem Objekt innewohnt, sei die Umsetzung der Idee handwerklich oder künstlerisch oder gar poetisch motiviert. Man könnte auch sagen, wie drückt sich ein Gegenstand aus? Kaum ein Element in der Welt des Designs war und ist diesbezüglich streitbarer als das Ornament, und gerade in Wien liegt es nahezu auf der Hand, dieses Stilmittel in allen möglichen Ausformungen auch lange nach Gründerzeit und Jugendstil unter die Lupe zu nehmen. Die Gruppenausstellung Ornament mit Blick nach vorn und zurück wurde von der Kunst- und Designexpertin Liv Vaisberg mitkuratiert, der Entwurf der Szenografie stammt vom Wiener Duo Easy-Center. Objekte stammen unter anderem von Hanakam & Schuller, Onka Allmayer-Beck, Anna Resei oder dem Studio Sho Ota.

Ebenfalls neu im Reigen sind die Programmpunkte unter dem Titel Spezial, bei denen es darum geht, Design im Zusammenhang mit Verantwortung, Reflexion, Vermittlung und Kritik auf den Zahn zu fühlen. Die Design Week hat sich gemeinsam mit dem Design-Kreis rund um Lotte Kristoferitsch, Alice Stori Liechtenstein und das Duo mischer’traxler studio mit verschiedensten Menschen aus der Designszene zusammen- und auseinandergesetzt – herausgekommen ist eine Liste von Vorsätzen für zukunftstaugliches Design, das in verschiedenen Ausformungen zugänglich und zu einer Art Manifest gemacht wird.

Fixstarter und ewiges Highlight des Festivals sind auch heuer wieder die Passionswege. Seit ihrem Beginn bringt die Design Week Wiener Handwerksbetriebe und Designschaffende zusammen, die abseits kommerzieller Zwänge an neuen Projekten tüfteln und Wissen austauschen. So haben heuer zum Beispiel die Designerin Anna Zimmermann und die Firma Bakalowits, die seit beinahe 180 Jahren als Kristalllustermanufaktur tätig ist, zusammengefunden.

Mariahilf, also der sechste Wiener Bezirk, wurde bei dieser Ausgabe der Vienna Design Week als Fokusbezirk auserkoren.
Foto: VIENNA DESIGN WEEK – Bueoronardin, Vienna Design Week

Ums Eck

Seit seinem Bestehen, also seit 2007, beschäftigt sich das Festival mit den spezifischen Gegebenheiten von Wiener Bezirken und Grätzeln. Mit dem neuen Programmpunkt Ums Eck soll nun noch genauer auf lokale Herausforderungen eingegangen werden. Das Wiener Studio Ante up hat sich mit der Ecke Ottakringer Straße und Wattgasse im 16. Bezirk auseinandergesetzt und ein Konzept entwickelt, das das Mikrogrätzel ein wenig aufpimpen soll und bei der Design Week präsentiert wird.

Aus Präsentation, Installation, Talk sowie Work in Progress besteht das äußerst spannende Format Urban Food & Design. Mit Blick auf geschlossene Wertschöpfungskreisläufe erarbeiten Kreative gemeinsam mit Unternehmen aus unterschiedlichen Gefilden der Lebensmittelindustrie neue Ansätze. In Kooperation mit Lorenz Snacks zeigt das Social Enterprise Eoos Next die dystopische Inszenierung namens Future Chips, die den Spannungsbogen zwischen Moral und Genuss zum Thema macht und sich globale Vernetzungen und deren Auswirkungen genauer anschaut.

Also dann! Bequeme Schuhe anziehen und auf nach Mariahilf. Der Schrittzähler dürfte in den nächsten Tagen ganz schön zu tun bekommen. Zu Zwecken der Orientierung empfiehlt es sich, zuvor auf jeden Fall einen Blick oder gleich mehrere auf die Website des Festivals zu werfen. (Michael Hausenblas, 16.9.2022)