Das Bundesheer ist seit 1999 im Kosovo im Einsatz.

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Wien/Prishtina – Das Bundesheer hat massive Probleme, genügend Soldaten für die Auslandsmissionen auf dem Balkan zu finden. Die Schwierigkeiten sind nicht neu, und sie werden immer größer. Das geht aus einer der APA vorliegenden internen Bewertung der Auslandseinsätze hervor. Sowohl die Kosovo-Mission als auch der Einsatz in Bosnien und Herzegowina sind demnach gefährdet. Besonders dramatisch ist die Lage beim medizinischen Personal.

Das Bundesheer-Kontingent im Kosovo hat aktuell einen Befüllungsgrad von 78 Prozent, es fehlen 81 Soldaten. Bei den Sanitätern liegt der Befüllungsgrad bei nur 36 Prozent, es sind nur fünf statt 14 Sanitäter im Einsatz. Und es befindet sich kein österreichischer Arzt vor Ort. "De facto ist der österreichische Sanitätszug nicht einsatzbereit." Dem Bundesheer drohe eine negative Reputation als "verlässlicher Partner", heißt es in dem Papier, das von der für Auslandseinsätze zuständigen Stelle kommt.

Funktionen können nicht besetzt werden

"Die Auftragserfüllung von AUTCON46/KAFOR wird als gefährdet beurteilt! Aufgrund der Fehlstellen können einsatzwichtige Funktionen nicht mehr besetzt werden", heißt es in dem Papier weiter. Eine ordnungsgemäße Weiterführung könne in Teilbereichen nicht sichergestellt werden. Das Bundesheer ist seit 1999 im Kosovo.

In Bosnien und Herzegowina stellt das Bundesheer seit 2004 ein Kontingent. Und auch dieses ist aktuell nur zu 78 Prozent befüllt und hat besondere Probleme im Sanitätsbereich. Fazit: "Die Auftragserfüllung für AUTCON36/EUFOR ALTHEA ist aufgrund des Personalfehls im Teilbereich der Sanitätsversorgung nicht gegeben, ist insgesamt als fragil zu bewerten und wirkt sich nachteilig auf die Einsatzführung von EUFOR aus."

Verstärkte Personalrekrutierungsmaßnahmen

Aus dem Ressort hieß es auf Anfrage der APA, dass bei den Kontingenten auf dem Westbalkan verstärkte Personalrekrutierungsmaßnahmen gesetzt worden seien, da gerade bei länger andauernden Missionen die Attraktivität verlorengehe. "Dabei steht die Sanitätsversorgung unserer Soldaten im Mittelpunkt, jedoch bleibt auch das Bundesheer vom Ärztemangel nicht verschont. Daher steht sowohl beim militärischen Gesundheitswesen wie auch beim Heerespersonalamt die Anstrengung im Mittelpunkt, ausreichend Sanitätspersonal in die Einsatzräume zu bringen. Das Problem wurde bereits vor einiger Zeit erkannt, und es wird an der Lösung des Problems gearbeitet."

Zusätzlich geht man davon aus, dass durch die Reduktion der Botschaftsbewachung Personal für Auslandseinsätze vermehrt zur Verfügung stehen wird. Die Problematik des fehlenden Personals in Schlüsselfunktionen werde mittelfristig dadurch gelöst, dass ab Oktober 2022 das Jägerbataillon 25 aus Klagenfurt, ein nahezu voll aufgefülltes Bataillon aus Berufssoldaten, die österreichische Auslandsmission bei KFOR übernehmen werde, so das Ministerium.

Kritik von FPÖ und SPÖ

Kritik an den Zuständen kam von der Opposition. FPÖ-Verteidigungssprecher Reinhard Bösch forderte die Regierung auf, "die unselige Überfrachtung des Bundesheeres mit zivilen Aufgaben" zurückzunehmen. Dazu zählen laut Bösch Maßnahmen im Zuge der Pandemiebekämpfung, die Botschaftsbewachungen und der Grenzeinsatz im Osten. Die Gehälter müssen steigen, um Auslandsdienste attraktiver zu machen.

SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer warf Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) vor, sich um Postenschacherei gekümmert zu haben anstatt um die Sicherstellung der Auslandseinsätze. "Mit ihrer Nachlässigkeit setzt sie die hohe Reputation und Verlässlichkeit Österreichs bei Friedensmissionen aufs Spiel." Es gehe aber nicht nur um das Ansehen des Bundesheeres. "Es liegt auch im sicherheitspolitischen Interesse Österreichs, dass die Friedenseinsätze im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina stabil und ordentlich laufen. Diese Einsätze sind nicht einfach ein Aushängeschild, sie sollen dafür sorgen, dass angespannte Situationen in unserer Nachbarschaft nicht eskalieren. Das kann uns nicht egal sein."

Verteidigt wird Tanner von ÖVP-Landesverteidigungssprecher Friedrich Ofenauer in einer Aussendung. So habe diese etwa heuer das Projekt zur Attraktivierung des Sanitätswesens gestartet. Auch erste Schritte zur Gewinnung von Militärärzten seien gesetzt worden – da diese "ein breitgefächertes Wissen von Arbeitsmedizin über Tropenmedizin bis zur Zahnmedizin" bräuchten, ermögliche bzw. unterstütze man Fort- und Weiterbildungen. Die SPÖ solle Kritik und Untergriffe unterlassen: "Mit solchen Aussagen schafft die SPÖ Unsicherheit und gefährdet solcherart die europäische bzw. internationale Sicherheit." (APA, red, 13.9.2022)