In Deutschland gibt es für illegale Straßenrennen mittlerweile einen eigenen Tatbestand im Strafgesetz.

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Nach dem mutmaßlichen Rennen zweier Autofahrer in der Wiener Innenstadt, bei dem eine unbeteiligte Verkehrsteilnehmerin getötet wurde, diskutieren Juristinnen und Juristen über eine Verschärfung des Strafrechts. Ein 26-Jähriger war Sonntagabend auf dem Ring bei Rot über eine Kreuzung gerast und gegen das Auto einer Frau geprallt, die daraufhin verstarb. Sollen Vorfälle wie dieser mit Mord geahndet werden? Reichen die aktuellen Gesetze aus, oder braucht es eine Reform des Strafgesetzbuches?

Derzeit greifen bei illegalen Straßenrennen in Österreich Delikte wie die "Gefährdung der körperlichen Sicherheit" oder die "Vorsätzliche Gemeingefährdung". Werden Personen getötet oder verletzt, kommen vor allem die Fahrlässigkeitsdelikte zur Anwendung. Bei grob fahrlässiger Tötung drohen dem Fahrer bis zu drei Jahre Haft. Denkbar sind aber auch Strafen wegen Körperverletzung mit Todesfolge oder gar wegen Mordes.

Vor einigen Jahren wurde etwa ein Mann wegen Mordes verurteilt, weil er in einer 30er-Zone mit über 100 km/h ein Moped rammte und einen Unbeteiligten tötete. In Deutschland gab es ähnliche Fälle: 2017 wurden bei einem Straßenrennen auf dem Berliner Kurfürstendamm zwei Männer wegen Mordes verurteilt, weil sie einen Rentner überfuhren. Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe bestätigte später die Verurteilung eines von zwei Angeklagten. Die Folge war eine breite Diskussion unter Fachleuten.

Verurteilung wegen Mordes?

An sich reicht für eine Verurteilung wegen Mordes, dass sich der Täter mit dem Tod eines anderen Menschen "abfindet" bzw. den Tod "in Kauf nimmt". Juristinnen und Juristen sprechen dabei von Eventualvorsatz oder bedingtem Vorsatz. Die Abgrenzung zur groben Fahrlässigkeit ist in der Praxis schwierig: Fahrlässig handelt, wer gegen Sorgfaltspflichten verstößt, gleichzeitig aber darauf vertraut, dass nichts passieren wird. Vorsätzlich handelt – salopp formuliert –, wem es egal ist, dass der andere stirbt.

Aber findet sich jemand, der ein illegales Straßenrennen veranstaltet, tatsächlich mit dem Tod von unbeteiligten Verkehrsteilnehmerinnen ab? Sollte er deshalb wegen Mordes verurteilt werden?

"Ich kann mir schwer vorstellen, solche Vorfälle mit Mord zu ahnden", sagt Alois Birklbauer, Professor für Strafrecht an der JKU Linz. Der Vorsatz, dass jemand den Tod einer Person wirklich in Kauf nimmt, sei in diesen Fällen schwer nachzuweisen. "Wir gehen davon aus, dass in jedem Menschen eine natürliche Tötungshemmung innewohnt. Und die Schwelle, dass man wirklich damit einverstanden ist, wenn jemand anderer stirbt, ist nicht so leicht zu überschreiten."

Aus Sicht von Strafrechtler und Verfassungsrichter Michael Rami kommt ein weiteres Problem dazu: Nicht nur ein vollendeter Mord, sondern auch dessen Versuch ist laut dem Strafgesetzbuch mit zehn bis 20 Jahren Freiheitsstrafe oder gar lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen, schreibt der Jurist auf Twitter. Damit würde diese hohe Strafdrohung ebenso bei einer bloßen Teilnahme an einem illegalen Autorennen, bei dem nichts geschehen ist, greifen.

Eigener Tatbestand?

In Deutschland führten Vorfälle wie jener auf dem Kurfürstendamm dazu, dass illegale Straßenrennen seit 2017 explizit per Strafgesetz verboten sind. Bei Rennen drohen den Beteiligten bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe. Werden dabei Menschen gefährdet, sind Strafen bis zu fünf Jahren möglich. Verursacht das Rennen "den Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung", drohen Strafen von bis zu zehn Jahren.

Ein eigener Straftatbestand "scheint mir auch für Österreich der bessere Weg zu sein", schreibt Strafrechtler Rami. "Dafür muss aber der Gesetzgeber tätig werden." Das Justizministerium sieht derzeit zwar keinen akuten Handlungsbedarf, neue Regelungen, wie sie etwa in Deutschland gelten, werden jedoch "fortlaufend evaluiert". Derzeit gebe es eine Reihe anderer Tatbestände, die illegale Autorennen unter Strafe stellen.

So könne auf Grundlage der Straßenverkehrsordnung (StVO) gegen illegale Rennen vorgegangen werden. Diese wurde jüngst vom Verkehrsministerium verschärft, sodass deutlich längere Führerscheinentzüge und höhere Geldstrafen drohen. Illegale Rennen können aber ebenso nach dem Strafgesetz strafbar sein, etwa als Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer bis hin zu Tötungsdelikten wie Körperverletzung mit Todesfolge.

Ähnlich sieht das Strafrechtler Birklbauer. "Zwischen grob fahrlässiger Tötung und Mord gibt es einiges dazwischen, das mit höherer Strafe bedroht ist." Infrage komme etwa Körperverletzung mit Todesfolge, die mit ein bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe belangt werden kann. Der Vorsatz einer Verletzung sei leichter nachweisbar als jener von Mord. Das Strafrecht bietet laut Birklbauer also auch jetzt schon zahlreiche Möglichkeiten. (Jakob Pflügl, 13.9.2022)