Die ORF-Vermarktungstochter Enterprise gab eine Studie in Auftrag, wie ein Werbestopp in TV und Radio des ORF wirken würde.

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Wien – Zwei deutsche Wissenschafter kommen – im Auftrag der ORF-Werbevermarktungstochter Enterprise – zu dem Schluss, dass Werbeverbote für den ORF Fernsehwerbung insgesamt verknappen und verteuern würden, vor allem Google und Co nützten und auch Radiowerbung insgesamt schadeten.

Werbeverbote etwa nach 20 Uhr wie in den deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF waren eine der Forderungen von Privatsendern in den Verhandlungen über ein neues ORF-Gesetz – die der ORF ablehnte. Einschränkungen der Radiowerbung, insbesondere auf Ö3, schienen im Frühjahr und Sommer schon zwischen Privatsendern und ORF praktisch ausverhandelt. Inzwischen wurde die ORF-Novelle fürs Erste gegen Jahresende vertagt, zuvor sollen Journalismusförderung und eine Novelle zur Regierungswerbung kommen, auch eine Neukonzeption der republikseigenen "Wiener Zeitung" als gedruckter Wochen- oder Monatstitel.

Die Studie der Medienökonomen Christian Zabel (Technische Hochschule Köln) und Frank Lobigs (Technische Universität Dortmund) im Auftrag der ORF-Enterprise wurde bereits im April 2022 vorgelegt. Nun wurde sie in der ARD-Fachzeitschrift "Media Perspektiven" in Auszügen mit Fokus TV-Werbung veröffentlicht.

Anhand von Modellrechnungen kommen die Autoren zu dem Schluss: Ein Teil der Zielgruppen würde nicht mehr mit Werbung erreicht, wenn TV-Werbung im ORF, insbesondere in der Primetime, gestrichen würde. Private Sender seien schon bisher weitgehend ausgebucht, sie könnten zusätzliche Nachfrage nicht decken und würden TV-Werbung deshalb voraussichtlich verteuern. Werbestopp im ORF komme den beiden großen Privatsendergruppen ProSiebenSat1Puls4 (ProSiebenSat1) und IP Austria (RTL/Kronen Zeitung) zugute.

Derzeit setzt der ORF nach STANDARD-Infos rund 125 Millionen Euro mit TV-Werbung und rund 65 Millionen mit Radiowerbung um.

Modellrechnung

Nach der Modellrechnung der deutschen Medienökonomen würde ein Werbestopp im ORF-Fernsehen österreichischen Privatsendern rund 25 Millionen Euro bringen (Preiserhöhung und höhere Auslastung), deutschen Privatsendern aber rund 52 Millionen Euro. Die beiden werbestärksten Privatsender, ATV und Puls 4, stehen im Besitz von ProSiebenSat1. Nur Servus TV gehört mit Red Bull einem österreichischen Medienkonzern in österreichisch-thailändischem Besitz.

"Am stärksten gewinnen" durch einen TV-Werbestopp würden nach diesen Berechnungen aber "ausländische Digitalplattformen"; die Studie beziffert deren Mehreinnahmen mit 53,4 Millionen Euro.

Print, Radio und Außenwerbung würde ein TV-Werbestopp nach diesen Berechnungen 3,1 Millionen Euro Werbevolumen bringen; österreichischen Digitalangeboten rund sechs Millionen Euro.

Ein Werbeverbot oder weitreichende Einschränkungen von Radiowerbung würden "die gesamte Werbegattung Radio in Österreich infrage stellen", schreiben die beiden Autoren zudem.

Die Studienautoren sprechen von "Crowding-in-Effekten" der ORF-Werbung für die jeweiligen Werbegattungen insgesamt in einem kleinen Land mit großem gleichsprachigem Nachbarland. Auch andere Studien zeigten diesen Effekt.

Aus ORF-Sicht wäre eine weitere Studie – quasi im öffentlich-rechtlichen Auftrag – zur Diskussion über eine ORF-Novelle naheliegend: eine Erhebung über die Werbewirkung von ORF.at für die Branche. (fid, 13.9.2022)