Testen, testen, testen: China bleibt weiter bei seiner strikten Zero-Covid-Politik, mutmaßlich auch, um Widerstände zu brechen.

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Während in den meisten Ländern der Welt Corona derzeit keine große Rolle mehr spielt, leiden in China so viele Menschen wie noch nie unter den strikten Maßnahmen der Regierung. Diese dienen angeblich dazu, die Verbreitung des Virus einzudämmen. In den vergangenen Tagen ist auch mehr über die Situation in der autonomen Region Xinjiang bekannt geworden.

Besonders betroffen ist die Präfektur Illi an der Grenze zu Kasachstan. In Yinning, einer bei Han-chinesischen Touristen beliebten Stadt, herrscht seit Anfang August ein strikter Lockdown. 600.000 Menschen sind seit über 40 Tagen in ihren Wohnungen eingeschlossen. Nahrungsmittel und Medikamente sind knapp. Viele berichten, sie bekämen ausschließlich Reis und Nudeln geliefert. Hochschwangeren soll angeblich medizinische Versorgung verweigert werden. Kranke dürfen nicht ins Krankenhaus. Behinderte erhalten weder Pflege noch Medikamente. Das belegen zumindest Artikel auf der Social-Media-Plattform Wechat, die umgehend gelöscht wurden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig prüfen.

Überwachung und Gängelung ist für viele Menschen in der Region ohnehin bittere Realität. Die Nordwestprovinz Xinjiang ist die Heimat der Uiguren, eines muslimischen Turkvolks. Seit etwa 2014 hat die Kommunistische Partei dort ein Lagersystem errichtet. Rund 1,5 Millionen Menschen haben dort schätzungsweise mehrere Monate Folter und Gehirnwäsche erfahren. In der Region probt Peking auch modernste Überwachungstechnologie wie Gesichts- und Spracherkennung. Nachrichten dringen nur noch spärlich aus dem abgeschotteten Gebiet.

70 Millionen im Lockdown

An Informationen zu kommen ist ohnehin schwierig, da die wenigen verbliebenen ausländischen Journalisten kaum reisen können und derzeit nur die Lage in Peking oder Schanghai kennen. Noch spärlicher sind die Nachrichten aus Xinjiang oder Tibet.

Im Netz kursieren absurde Aufnahmen von einer kilometerlangen Schlange von Tibetern im Regen, die sich einem PCR-Test unterziehen müssen. Die strikten Ausgangssperren betreffen allerdings nicht nur Xinjiang. Derzeit gelten Lockdowns für schätzungsweise 70 Millionen Menschen in China, darunter auch in der Metropole Chengdu, Provinz Sichuan.

Peking verfolgt seit bald zwei Jahren eine "dynamische Covid-Politik". Das bedeutet nichts anderes, als dass auf wenige Infektionen sofort mit strikten Ausgangssperren reagiert wird. Viele Beamte setzen die Maßnahmen trotzdem rigoros um – aus Angst vor Strafen, in ihrem Verantwortungsbereich einen Covid-Ausbruch zugelassen zu haben. Warum China nicht impft, ist ebenfalls ein Rätsel.

Widerstand brechen

Hoffnung besteht nur darin, dass sich die Situation nach dem 20. Parteikongress vielleicht entspannt, der am 16. Oktober beginnen soll. Hier will Xi Jinping seine dritte Amtszeit verkünden. Er wäre somit der wohl mächtigste Führer seit Mao Tse-tung. Eigentlich sieht das chinesische System nur zwei Amtsperioden vor.

Viele Beobachter mutmaßen, dass Xi die strikte Zero-Covid-Politik der vergangenen zwei Jahre auch dazu benutzt hat, Widerstand im Volk und in der Partei zu brechen. Hat er sein Ziel einmal erreicht, könnten die Maßnahmen auch nachlassen. (Philipp Mattheis, 13.9.2022)