Der Verkauf der Borealis-Düngersparte sorgt für harsche Kritik der Landwirtschaft.

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Der Deal ist unter Dach und Fach, aber der Bauernbund gibt nicht auf. Es geht um den Verkauf der Stickstoffsparte der OMV-Tochter Borealis an den tschechischen Agrofert-Konzern um 810 Millionen Euro im Juni 2022.

Bisher sind alle Einwände der Vertreter der Landwirtschaft nicht erhört worden. Nun versuchen es die Agrarier mit einem gewichtigen Argument, dem öffentlichen Interesse. Die Versorgungssicherheit bei Nahrungsmitteln stehe auf dem Spiel, wenn Österreich ohne eigene Düngemittelerzeugung dastehe, so das Argument sinngemäß. Gezeigt habe sich dies nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, als Düngemittel schlagartig knapp und deshalb deutlich teurer wurden.

Juristische Expertise

Inzwischen hat sich der Engpass wieder einigermaßen aufgelöst, mit der Dauer des Krieges könnten Produktionskapazitäten im größten europäischen Erzeugerland allerdings jederzeit wieder einbrechen.

Vor diesem Hintergrund hat der Niederösterreichische Bauernbund unter seinem Obmann, dem stellvertretenden Landeshauptmann Stephan Pernkopf (ÖVP), bei Verfassungsrechtler Heinz Mayer ein Gutachten in Auftrag gegeben.

Der frühere Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien kommt darin laut STANDARD-Recherchen zu dem Schluss: Der Verkauf an die Tschechen könnte das öffentliche Interesse beeinträchtigen. Gemäß Öbag-Gesetz sei die Staatsholding Öbag nämlich dazu verpflichtet, vorrangig österreichische Interessen zu berücksichtigen.

Interesse der Republik

Die Vertreter der Staatsholding hätten darauf in ihrer Rolle als Aufsichtsräte Bedacht zu nehmen – auch hinsichtlich der Sicherung von Arbeitsplätzen. Würden etwa florierende Unternehmensteile verkauft und Jobs wegfallen oder wichtige Produktionszweige ins Ausland verkauft, dann sei das nicht im öffentlichen Interesse, heißt es sinngemäß in dem Gutachten, das heute, Mittwoch, präsentiert wird.

Manager von Agrofert haben freilich im Juli eine Standortgarantie für den Borealis-Standort in Linz abgegeben und weitere Investitionen ebendort angekündigt. Dass die neuen Argumente der Landwirtschaftsvertreter noch auf fruchtbaren Boden fallen bei Öbag und/oder OMV und den Verkauf noch gefährden könnten, gilt denn auch als unwahrscheinlich.

Denn Käufer Agrofert ist bereits die zweite Wahl. Im Frühjahr wollte die OMV an Eurochem verkaufen, einen schweizerisch-russischen Konzern, der inzwischen aber mit Sanktionen belegt ist. Agrofert kam dem teilstaatlichen Energiekonzern auch deshalb sehr gelegen, weil die Tschechen fast das Doppelte dessen zahlen, was die Russen geboten hatten.

Öbag muss nachdenken

Man wolle die Öbag quasi an ihren gesetzlichen Auftrag erinnern, wonach sie sich verstärkt für die Interessen der Republik einsetzen muss, heißt es bei den Kritikern des Dünger-Deals.

Davon abgesehen muss sich die Staatsholding derzeit aber sowieso intensiv mit strategischen Überlegungen beschäftigen. Denn das Finanzministerium hat der Öbag den Auftrag gegeben, bestimmte strategische Fragestellungen zu bearbeiten. Und zwar nicht nur in Bezug auf ihre eigenen Tochtergesellschaften, sondern auch zu grundsätzlichen Überlegungen wie jener, wie die Gasversorgung in Österreich künftig gewährleistet werden kann. Aufgaben, für die sich die Staatsholding ihrerseits auch externer Berater bedienen wird. (Renate Graber, Luise Ungerboeck, 14.9.2022)