Wien – Musik aus Strauss’ Rosenkavalier ertönt, doch falls das Publikum auf den Gedanken kommen könnte, dabei in romantische Träume zu verfallen, wird es abrupt aus diesen gerissen. Denn in der Outdoor-Oper R¡NGD!NG berichtet eine Fahrradkurierin aus Tunesien zu diesen Klängen, "wie sie mitten in Wien Notrufe von Flüchtlingsbooten aus dem Mittelmeer erhält, um die Seerettung zu alarmieren." Originalinterviews mit zeitgenössischen Fahrradfahrerinnen verleihen in diesem Projekt auch Opernausschnitten von Mozart, Puccini, Wagner und Rossini eine ganz andere Bedeutung. Alle sind mit dem Rad unterwegs, an fünf Stationen kann das Publikum per Web-App mitlesen.

Zwischen Reaktoren

Unkonventionell sind mitunter die Wege, die von den Musiktheatertagen Wien im Wuk beschritten oder befahren werden, stets mit dem Bestreben eines größtmöglichen Aktualitätsbezugs. Chornobyldorf heißt das Eröffnungsprojekt des Kollektivs Opera Aperta aus der Ukraine, das von einer zerstörten Zivilisation erzählt, in der die Nachkommen einer verschwundenen Menschheit zwischen Reaktoren umherziehen. Die Schreckensvisionen "möglicher Enden der Welt" sind die Grundlage der optimistischerweise in vier Teilen für die kommenden Jahre geplanten Kollapsologie 2022–2025 von Thomas Desi.

Im weißen Rössl am Central Park ist aus einer Spurensuche in New York hervorgegangen, wo Emigrantinnen aus Europa Varianten des Erfolgsstücks in Kaffeehäusern aufführten und wo Johannes Müller und Philine Rinnert die Reste der Version von Jimmy Berg fanden. Die Geiseloper der Musik-Company MuPATh erzählt von einer wahren Begebenheit im Ungarn der 1970er-Jahre.

Weitere Programmpunkte: Mitra, eine "Mischung aus Oper, Dokumentarfilm und Installation", eine Performance über Kassandra "aus weiblicher Sicht", die Punk-Oper La Bohème Supergroup von glanz&krawall, VR-BANIA von Komponist Manuel Zwerger und Regisseurin Carmen C. Kruse über virtuelle Realität. (Daniel Ender, 13.9.2022)