Margit Schratzenstaller, Michael Böheim, Michael Peneder vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) schlagen in ihrem Gastkommentar vor, wie sich die heimischen Energieerzeuger an der Finanzierung der Krisenkosten beteiligen könnten.

Aufgrund krisenbedingter Marktentwicklungen lukrieren derzeit Energieerzeuger mit niedrigen Grenzkosten beträchtliche zusätzliche Gewinne. Beim Energieministerrat vergangene Woche wurde die Einführung einer "Solidaritätsabgabe" von Erdöl- und Erdgasunternehmen sowie die Begrenzung der Einnahmen der Erzeuger von Strom aus Atomkraft und Erneuerbaren zur Abschöpfung solcher in der wirtschaftspolitischen Diskussion häufig als ungerechtfertigt kritisierter Zufallsgewinne beschlossen, um die betroffenen Unternehmen an der Finanzierung der Krisenkosten zu beteiligen. Die Einnahmen sollen Entlastungsmaßnahmen für Haushalte und Unternehmen sowie Investitionen in Erneuerbare finanzieren.

Sonnige Zeiten für Energieerzeuger – und was ist mit der Finanzierung der Krisenkosten?
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Befristete Abgabe

In den letzten Monaten haben sechs europäische Länder eine zeitlich befristete Abgabe auf Zufallsgewinne eingeführt, zwei weitere planen eine solche: mit unterschiedlichen Steuerbasen und Steuersätzen.

Griechenland besteuert Gewinne von Stromerzeugern, die das Vorjahresniveau übersteigen, mit 90 Prozent, ausgenommen sind Erzeuger von Strom aus Erneuerbaren. Im Vereinigten Königreich werden sämtliche Gewinne von Öl- und Gasunternehmen zusätzlich mit 25 Prozent besteuert. Die Basis der italienischen und der geplanten belgischen Zufallsgewinnsteuer ist eine gegenüber dem Vorjahr erhöhte Bruttowertschöpfung, die einem Steuersatz von jeweils 25 Prozent unterliegt.

Rumänien besteuert den Unterschied zwischen den tatsächlichen Einnahmen aus Stromverkäufen und einem fiktiven Verkaufserlös zu einem Vorkrisenreferenzpreis mit 80 Prozent. In Ungarn werden Erdölunternehmen auf der Basis der Differenz zwischen dem Einkaufspreis für günstigeres russisches Erdöl und dem höheren Weltmarktpreis mit 65 Prozent besteuert. Spanien erhebt eine komplex gestaltete Abgabe für Stromerzeuger, die kein Erdgas zur Stromerzeugung nutzen, und plant eine Zufallsgewinnsteuer für Energieunternehmen in Höhe von 1,2 Prozent. Die Einnahmen fließen in Entlastungsmaßnahmen für Haushalte, manchmal auch für Unternehmen.

"Noch wichtiger als Fragen der praktischen Ausgestaltung einer Zufallsgewinnsteuer ist aber, dass es angesichts der Eigentümerstruktur der Energiewirtschaft in Österreich effizientere Instrumente zur Abschöpfung von Zufallsgewinnen gibt."

Auch in Österreich wird derzeit eine Zufallsgewinnsteuer für Energieunternehmen geprüft. Die europäischen Beispiele zeigen, dass die konkrete Ausgestaltung einer Zufallsgewinnsteuer keineswegs eindeutig ist: Manche Länder besteuern nur Unternehmen, deren Geschäft auf fossilen Energien beruht, andere Länder dagegen gerade Energieunternehmen, die keine fossilen Energiequellen nutzen. Manchmal werden gegenüber dem Vorjahreswert erhöhte Gewinne, in anderen Fällen eine zusätzliche Bruttowertschöpfung besteuert.

Noch wichtiger als Fragen der praktischen Ausgestaltung einer Zufallsgewinnsteuer ist aber, dass es angesichts der Eigentümerstruktur der Energiewirtschaft in Österreich effizientere Instrumente zur Abschöpfung von Zufallsgewinnen gibt. Im Gegensatz zu anderen Ländern hat der Staat in der österreichischen Energiewirtschaft eine sehr starke Position inne. Die Mehrheit des Aktienkapitals der Verbund AG und der neun Landesenergieversorger hat – qua Verfassung abgesichert – im Eigentum der öffentlichen Hand zu stehen. Darüber hinaus hält die Republik Österreich 31,5 Prozent an der OMV. Der öffentlichen Hand fließen daher nicht nur die Einnahmen aus Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer der an private Investoren ausgeschütteten Dividenden zu. Sie erhält darüber hinaus auch einen entsprechend hohen Anteil der Gewinne – und damit auch der Zufallsgewinne – dieser Unternehmen.

Der vergleichsweise geringe Anteil, der somit von Zufallsgewinnen an österreichischen Energieunternehmen den privaten Investoren verbleibt, rechtfertigt daher in Österreich eine Zufallsgewinnsteuer nicht. Eine effizientere Alternative stellt eine Sonderdividende dar. Im Falle des Verbunds erhielte der Staat fast neun Zehntel eines Zufallsgewinns in Form von Steuern und Sonderdividende, im Fall der OMV etwa zwei Drittel. Beim Verbund kann die öffentliche Hand als Mehrheitseigentümer aktienrechtlich die Entscheidung über die Ausschüttung einer Sonderdividende beeinflussen.

An der Wurzel

Bei der OMV kann sie in der Hauptversammlung mit Nachdruck auf eine entsprechende Dividendenpolitik hinwirken beziehungsweise diese im Syndikat mit dem privaten Ankeraktionär auch durchsetzen. Bei zur Gänze im Eigentum der Länder und anderer Gebietskörperschaften stehenden Energieunternehmen verbliebe sogar der gesamte Zufallsgewinn beim Staat.

Von einer Sonderdividende gehen im Gegensatz zu einer Zufallsgewinnsteuer keine negativen Standorteffekte aus. Letztere führt zu Unsicherheit über den künftigen Steuersatz und belastet damit das Vertrauen der Investoren in die Stabilität der steuerlichen Rahmenbedingungen und die Glaubwürdigkeit der Politik. Darüber hinaus sollten den Energieunternehmen für das im Rahmen der Stromkostenbremse gewährte subventionierte Grundkontingent zum Fixpreis nur die Kosten plus normalem Gewinnaufschlag ersetzt werden. Damit würden die Zufallsgewinne an der Wurzel reduziert und zugunsten niedrigerer Kosten an die Verbraucher weitergegeben werden. (Margit Schratzenstaller, Michael Böheim, Michael Peneder, 14.9.2022)