Anwalt Tassilo Wallentin hält in Zeiten wie diesen vieles für möglich. Auch, dass er Amtsinhaber Alexander Van der Bellen in die Stichwahl zwingt.

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Wien – Lange wurde darüber spekuliert, ob der Wiener Rechtsanwalt Tassilo Wallentin als Präsidentschaftskandidat für die FPÖ ins Rennen um die Hofburg geht. Es kam letztlich anders, er tritt nun als unabhängiger Kandidat an. Und er ist, wie mehrere seiner Konkurrenten, im rechten Spektrum angesiedelt.

STANDARD: Sieben Kandidaten stehen auf dem Stimmzettel zur Bundespräsidentenwahl – so viele wie noch nie. Wen würden Sie wählen, wenn Sie nicht selbst antreten würden?

Tassilo Wallentin: Wenn ich jemanden für wirklich geeignet halten würde, würde ich nicht antreten.

STANDARD: Sie sind als Wiener Innenstadtanwalt gut im Geschäft, hatten bis zur Bekanntgabe Ihrer Kandidatur eine wöchentliche Kolumne in der "Krone bunt". Was bewegt Sie nun, die politische Bühne zu betreten?

Wallentin: Weil wir uns in einer äußerst prekären Situation befinden. Die dringenden Probleme, vor denen wir stehen, bearbeite ich schon seit zehn Jahren intensiv. Und irgendwann steht man vor der Frage, ob man Zustände weiter beschreibt oder versucht, selbst ins Tun zu kommen. Der Beweggrund war: "Frage nicht, was Dein Land für Dich tun kann, frage, was Du für Dein Land tun kannst."

STANDARD: Wie würden Sie jemanden, der noch nie von Ihnen gehört hat, erklären, wofür Sie als Bundespräsident eintreten würden?

Wallentin: Ich würde ihm sagen, dass wir ein neues Zeitalter betreten haben. Ich habe in meinen Büchern alle Lösungen dargestellt. Das Links-Rechts-Schema hat ausgedient. In den großen Fragen unserer Zeit gibt es nur ein vernünftig oder unvernünftig. Ich glaube nicht, dass der etablierte Politikbetrieb, zu dem auch die Opposition gehört, sich selbst reformiert und diese Probleme lösen kann. Dazu ist die Seifenblase der Privilegien zu bequem. Es muss jemand von Außen kommen, der unabhängig ist und das Land wieder ins Tun bringt. Als Präsident würde auch ich auch als Ideengeber fungieren, die dann vielleicht von Politikern aufgegriffen werden.

STANDARD: Auch Sie waren dem etablierten Politikbetrieb nicht immer ganz fern. 2017 gab es Gespräche mit dem Team Stronach über eine Spitzenkandidatur bei der Nationalratswahl, vor einigen Wochen stand sogar noch eine Präsidentschaftskandidatur für die FPÖ im Raum...

Wallentin: Mit dem Team Stronach gab es Gespräche über eine Spitzenkandidatur, die ich dann aber abgelehnt habe. Und auch jetzt habe ich abgesagt, weil mir die Vorgaben von Herrn Kickl (Herbert, FPÖ-Chef, Anm.) nicht gefallen haben, obwohl er es mit mir durchziehen wollte. Ich kann mit starrer Parteiideologie nichts anfangen. Es gibt in fast allen Parteien Elemente, die gut sind und die ich auch übernehmen würde.

STANDARD: Stimmt es, dass Sie auf die FPÖ zugegangen sind, wie FPÖ-Chef Herbert Kickl kürzlich wissen ließ?

Wallentin: Es gab ein Gespräch mit einem Mitarbeiter von Herrn Kickl, das aber ursprünglich einen anderen Hintergrund hatte. Für mich war es demokratiepolitisch bedenklich, dass bis auf die FPÖ keine der Parlamentsparteien einen eigenen Kandidaten aufstellt. Das ist für mich eine ideologische Bankrotterklärung. Dadurch war die FPÖ für mich ein Gesprächspartner. Für mich war aber ein Antritt immer nur als Unabhängiger denkbar, wobei die FPÖ nur ein Unterstützer von vielen hätte sein sollen.

STANDARD: Was wäre die erste Initiative, die Sie anstoßen würden?

Wallentin: Das ist die Frage der Inflationsbekämpfung, der Neutralitätspolitik und des Asylchaos, das wir an den Grenzen haben. Es sind mittlerweile Dimensionen erreicht, die ein einzelnes Land auf Dauer nicht schultern kann. Es gibt Lösungen, die human, grundrechtskonform, aber auch effizient sind.

STANDARD: Gibt es auch etwas, das in der Kompetenz des Präsidenten liegt und das Sie sofort ändern würden?

Wallentin: Ich glaube, was die Menschen nicht wollen, ist jemand, der radikal um sich schlägt. Der Aktionismus, den manche Kandidaten von sich geben, was sie alles in der Sekunde machen würden, ist keine Führungsstärke, sondern das Gegenteil davon. Die Menschen wollen, dass es Zusammenhalt gibt, dass es wieder ein Zusammenspiel zwischen Hofburg, Ballhausplatz, Parlament und gegebenenfalls auch mit den Menschen im Wege von Volksabstimmungen gibt – wie in der Schweiz.

STANDARD: Wie würden Sie ganz generell das Amt des Bundespräsidenten anlegen?

Wallentin: Aktiv. Damit meine ich, dass der Bundespräsident nötigenfalls auch ein Gegengewicht zur Regierung ist. Er ist auf Bundesebene die einzige direktdemokratisch legitimierte Person. Das ist ein ganz starker Auftrag. Aber ich würde mir nicht wie Amtsinhaber Alexander Van der Bellen anmaßen zu sagen, dass ich diese oder jene Partei nicht angeloben würde. Ich habe immer gesagt, dass Wahlergebnisse und parlamentarische Mehrheiten zu respektieren sind. Aber was man nicht respektieren muss, ist, wenn ein Land in Zustände gerät, die in einem Extremszenario enden können. Auch darin unterschiede ich mich von Van der Bellen. Ich wäre nicht nur ein Kommentator.

STANDARD: Gab es einen Bundespräsidenten, mit dessen Amtsführung Sie zufrieden waren und von dem Sie sich gar etwas abschauen würden?

Wallentin: Wer mir menschlich sehr imponiert hat, war Kirchschläger (Rudolf, Anm.), weil er ein wirklich integrer Mensch war. Er hat dieses Amt aus meiner Sicht ausgefüllt und Größe gezeigt. Obwohl ich damals noch ein Kind war, hat er mich beeindruckt.

STANDARD: ÖVP-Kreise sollen in Messenger-Diensten dazu aufgerufen haben, Sie zu unterstützen. Vernehmen Sie Signale, dass Ihre Kandidatur mit Wohlwollen aufgenommen wird?

Wallentin: Ich habe nichts dergleichen vernommen. Die einzigen Kettenbriefe, die ich laufend bekomme, sind irgendwelche Weltverschwörungstheorien über mich. Die sind teilweise so absurd, dass ich mir gedacht habe, das kann ja ein vernünftiger Mensch nicht glauben. Aber es gibt durchaus Menschen, die offensichtlich alles glauben.

STANDARD: Ihren Wahlkampf wollen Sie durch Spenden bestreiten. Auf welche Summe wird sich Ihr Wahlkampf-Budget belaufen?

Wallentin: Die Summe, die hereinkommt, die ist es. Ich führe den Wahlkampf medial – über Gespräche, Duelle und über soziale Medien. Und ich gehe davon aus, dass das ausreichend sein wird.

STANDARD: Wie kam es eigentlich dazu, dass Magna-Grüner Frank Stronach Sie finanziell unterstützt?

Wallentin: Mit Stronach bin ich seit Jahren im Austausch. Er hat mich mit einer Anlauffinanzierung unterstützt, also das Inserat in der Krone finanziert und mir darüber hinaus einen mittleren fünfstelligen Betrag gegeben. Es gab keine inhaltlichen Vorgaben, sonst hätte ich die Unterstützung abgelehnt.

STANDARD: Gibt es auch weitere Spender, beispielsweise ÖVP-Spender Alexander Schütz?

Wallentin: Schütz ist kein Spender und wird er auch nicht sein. Es gibt aber andere kleinere Spender, gemessen an den Dimensionen der anderen Kandidaten.

STANDARD: Themenwechsel: Sollen die von der EU verhängten Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden?

Wallentin: Das Problem an den Sanktionen ist, dass sie diesen Krieg weder beenden, noch verkürzen werden. Und die Frage, die man sich stellen muss, ist, ob der Ukraine gedient ist, wenn bei uns kriegswirtschaftliche Zustände eintreten. Ich habe schon vor Monaten geschrieben, dass wir Friedenspolitik betreiben müssen.

STANDARD: Sollen die Sanktionen nun aufgehoben werden?

Wallentin: Ich denke, die Österreicher sollten darüber im Wege einer Volksabstimmung abstimmen. Das ist eine wesentliche neutralitätspolitische Frage. Wir sind in der schwierigsten Situation seit dem Zweiten Weltkrieg.

STANDARD: In dieser Frage sind Sie auf Linie von Kickl ...

Wallentin: Da ist der Herr Kickl auf meiner Linie. Ich habe das schon vor Monaten in meinen Beiträgen geschrieben. Möglicherweise hat Kickl bei mir nachgelesen.

STANDARD: Ihr Wahlziel ist es, Amtsinhaber Alexander Van der Bellen in die Stichwahl zu zwingen. Für wie realistisch halten Sie das wirklich?

Wallentin: Das ist sehr realistisch, dass es eine Stichwahl gibt.

STANDARD: Aber auch, dass Sie es in die Stichwahl schaffen werden?

Wallentin: Ja, durchaus.

STANDARD: In früheren Wahlen schafften unabhängige Kandidaten nie mehr als zehn Prozent. Warum glauben Sie, dass Ihnen das gelingt?

Wallentin: Ich habe es vorhin schon gesagt: die Zeiten haben sich geändert. In Zeiten wie diesen ist Vieles möglich. In den vergangenen Jahren sind Dinge passiert, die hätte niemand für möglich gehalten.

STANDARD: Bekommen Sie Ihre Kolumne in der "Krone bunt" zurück, sollten Sie nicht Bundespräsident werden?

Wallentin: Derzeit ist sie auf Eis gelegt. Es war vollkommen klar, dass das nicht vereinbar ist, wenn man ein politisches Amt anstrebt. (Sandra Schieder, 14.9.2022)