Built to Spill, US-Indie-Helden aus Idaho, veröffentlichen ihr tolles neues Album beim Label Sub Pop. Das ist stimmig.

Im hysterischen Popgeschäft ist diese Band ein kleines Wunder. Dort, wo die Inflation der Superlative Alltag ist, brät die Gruppe Built to Spill ungerührt vom Lärm ihre Würstchen – und das mit beträchtlichem Erfolg. Schließlich war die aus Boise in Idaho stammende Gruppe über 20 Jahre lang bei einem Major-Label unter Vertrag und hat in der Zeit eine weltweite Fangemeinde aufgebaut, mit Alben wie Perfect from Now On, Keep It Like a Secret oder You in Reverse.

Trotzdem verzichtet ihr Chef Doug Martsch immer noch darauf, dem Vermarktungsspiel sklavisch zu folgen. Das äußert sich aktuell etwa darin, dass es keine Fotos der Band gibt. Stattdessen stellt das Label Sub Pop für die Presse eine Illustration oder eine Collage zur Verfügung, scheiß drauf.

Hohe Stirn, hohes Ansehen

Das passt zu Doug Martsch. Der sympathische Einzelgänger trug schon in den 1990ern die Stirn so hoch, dass er seinen Haarhaushalt mittels Halswolle aufwiegen musste. Zehn Jahre später haben die Hipster diesen Nichtstil für sich entdeckt, und wenn diese längst wieder als glattrasierte Sachbearbeiter Versicherungen oder Gartenschläuche verkaufen, wird Martsch immer noch so aussehen. Der Name Built to Spill transportiert in der Tradition des viel geprüften Sisyphus ja Geduld und Ausdauer.

Offenes System

Nun ist mit When the Wind Forgets Your Name das zehnte Album der Band erschienen – in neuer Besetzung. Denn Martsch betreibt die Gruppe als offenes System, was den Vorteil hat, dass er als Chef und Wegweiser anderen nicht schon seit Jahren auf die Nerven geht, weil neue Mitglieder belastbarerer sind. Sagt er.

Built To Spill

Aktuell ist die Band ein Trio und besteht neben Martsch aus Le Almeida and Joao Casaes von der brasilianischen Band Oruã, die er getroffen hat. In Brasilien ist das Album auch entstanden – unter all den Corona-Umständen.

Staubiger Bart

Martschs Bart mag mittlerweile ziemlich staubig sein, seine jugendliche Kopfstimme prägt immer noch den Sound. Er vermag aus vermeintlich fragilen Songs hymnische Wälzer zu errichten. Da suhlt er sich in einem Moment noch in Melancholie und Weltschmerz, im anderen hebt er an und befördert das Ding und die Stimmung ans Firmament.

Nicht immer, das wäre fad, aber das Spiel damit, das Antäuschen und Auslassen, das zeitigt nicht nur eine originäre Ästhetik, es schlägt sich dynamisch nieder. Als Geschmacksverstärker setzt er stellenweise ein Cello ein, das den Liedern zugleich eine elegische Note verpasst. Ein Feingeist in Holzfällermontur.

Built To Spill

Martsch wirkte schon als junger Mann älter und weiser als viele seiner Zeitgenossen, die hohe Stirn mag dazu ihren Beitrag geleistet haben. Diese Aura verleiht der Musik von Built to Spill eine Autorität außerhalb aller Trends und Moden. Ohne mit den Muskeln zu spielen, besitzt sie die Kraft der Erfahrung und des Verstehens, klingt dabei vertraut und zugänglich: Und wie bestellt heißt einer der neuen Songs Understood. Eines dieser Stücke, in die man sich am liebsten hineinlegen würde. (Karl Fluch, 14.9.2022)