Was gibt es Neues bei den britischen Royals? Seit dem Tod der Queen sehr viel.

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Als vergangene Woche Queen Elisabeth II. im 97. Lebensjahr starb, schien die Welt im Königin- und König-, im Prinzen- und Prinzessinnen-Taumel. Wir erfuhren, dass Harrys und Meghans Kinder nun Prinz und Prinzessin sind, welch strenges Reglement bei der royalen Beisetzung gilt, wie es um die Beziehung zwischen den Prinzen Harry und William "wirklich" steht, und wir sahen unzählige prächtige Bilder, die einen glanzvollen Rückblick auf die "Epoche" gewähren sollten, die so manche Kommentator:innen mit dem 8. Oktober 2022 zu Ende gehen sahen.

Dass in ehemaligen Kolonien wie Jamaika, Ägypten, Pakistan und Kenia weniger Nostalgie und Lob für die Disziplin und den Humor von König Elisabeth II. vorherrschten, ist nur logisch – und sicher nicht pietätlos, wie Kritik kommentiert wurde, die kurz nach dem Tod der Queen laut wurde. In Großbritannien werden derzeit, während der offiziellen Phase der Trauer, die bis sieben Tage nach dem Begräbnis andauert, sogar Festnahmen wegen monarchiekritischer Proteste vorgenommen. Unerwünscht sind derzeit oft auch Hinweise auf die Verbrechen in den ehemaligen Kolonien. Königin Elisabeth II. sei schließlich nur Repräsentantin gewesen, ohne politischen Einfluss und zur Passivität verdammt. Eine offizielle Entschuldigung für diese Verbrechen – etwa während der brutalen Niederschlagung des Mau-Mau-Aufstands in Kenia – wäre allerdings möglich gewesen. Ein solche Entschuldigung kam allerdings nie.

Von Passivität und Privilegien

Dennoch: Der Pomp, die Schlösser, der riesige Besitz, die klaren Hierarchien, die Privilegien qua Geburt, all das begeistert – auch in zahlreichen Märchen, die tagtäglich erzählt und vorgelesen werden. Da fällt kaum noch auf, dass auch hier Repräsentation, Passivität und ein Patzen Brutalität eine zentrale Rolle spielen. Keine Panik: Das ist kein Aufruf zum Verbot von "Dornröschen", "Aschenputtel" oder der "Prinzessin auf der Erbse". Doch während des aktuellen Royals-Fiebers schadet ein genauerer Blick darauf auch nicht. Denn vergessen werden darf auch nicht, dass die Erzählungen von Königinnen, Prinzen und schönen Kleidern bis heute vor allem an Mädchen und später Frauen herangetragen werden – und somit noch immer ein Ideal von weiblicher Passivität verbreiten.

Da wäre etwa das Märchen "Aschenputtel" der Gebrüder Grimm, in dem es um das angeblich selbstverständlichste aller Begehren geht: einen Prinzen zu ehelichen. Gepaart wird dies mit einer Darstellung von fiesem Neid unter Frauen. Die bösen Stiefschwestern neiden bekanntlich Aschenputtel die schönen Kleider, die sie sich bei dem Grab ihrer Mutter wünscht – und bekommt. Als der Prinz sie wegen des schönen Gewands für eine Prinzessin hält, will er sie – und forscht ihr mit dem vor dem Ballsaal verlorenen Schuh nach. Die, der er passt, ist es. Die Schwestern schneiden sogar ihre Füße zurecht, um in den immer als außerordentlich zierlich beschriebenen Schuh zu passen. Die mit den kleinsten Füßen ist freilich die Schönste und Aschenputtel schließlich die Auserwählte. Eine leere Hülle also, die danach ausgesucht wird, wo sie reinpasst – ohne den Maßstab Schuh würde sie der Prinz nicht wiedererkennen. Obwohl er begeistert mit ihr getanzt hat.

Bewusstlose Frauen

Noch passiver ist Dornröschen, wieder aus einem Märchen der Gebrüder Grimm. Eine junge Königstocher sticht sich an einer vergifteten Spindel und fällt wegen einer beleidigten Fee – im Detail gibt es hier mehrere Versionen zu den Gründen – in den Tiefschlaf. Hundert Jahre sind es, bis ein Prinz sie gleich doppelt befreien muss. Erst durchschneidet er schneidig die Dornenhecke, dann küsst er die Schlafende wach – denn was könnte anziehender sein als eine junge Frau ohne Bewusstsein.

Auch dem Prinz in "Schneewittchen" haben es Frauen, die weder reden noch sonst irgendwie reagieren, angetan. In diesem Märchen geht der Prinz sogar davon aus, dass die Königstochter tot ist – was ihn nicht davon abhält, sich in sie zu verlieben. Er luchst den sieben Zwergen den Glassarg mit der schönen Reglosen ab, weil er von ihr so begeistert ist. Beim Transport stolpert jemand, und der vergiftete Apfel löst sich aus ihrem Hals. Und wieder: Auch Schneewittchen muss den Ersten heiraten, den sie nach ihrem Erwachen sieht. Immerhin: Es ist ein Prinz.

Kein Ton, kein Einwand

Keine andere Option hat auch die verirrte Prinzessin auf der Erbse von Hans Christian Andersen. Sie sucht Unterschlupf in einem Schloss, wo ein Prinz schon dringend auf Prinzessinnensuche ist. Die einzige Aussage, die die Prinzessin auf der Erbse in einer aktuellen Pixibuch-Ausgabe macht, betrifft die Zumutung dieses kleines Hubbels, also der Erbse, die sie in der Nacht gestört hat. Kein Ton und schon gar kein Einwand kommt hingegen, als der Prinz beschließt, dass sie die seine sein soll – bis ans Ende ihrer Tage.

Der Begeisterung für reine Repräsentation wird also schon im Kinderzimmer ordentlich auf die Sprünge geholfen. Einfach nichts zu sagen, auch wenn sehr viel Unrecht das erfordern würde. Das dürfte begeisterten Märchenkonsument:innen erst einmal wohl nicht komisch vorkommen. (Beate Hausbichler, 15.9.2022)