Die Firma Bosch am Pride Day Germany am 7. Juli. Kaum ein internationales Unternehmen kommt heute noch ohne Diversity-Strategie aus.

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Diversity oder Diversität bedeutet laut Duden schlicht Vielfalt. In sozialwissenschaftlichen Debatten beschreibt der Begriff die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Menschen und Gruppen, meist liegt der Fokus dabei auf Geschlecht, Alter, Hautfarbe, ethnischer Herkunft, Religion und Weltanschauung, sexueller Orientierungen und den körperlichen und geistigen Fähigkeiten.

Diversity dokumentiert gesellschaftliche Vielfalt nicht bloß, vielmehr wird die Vielfältigkeit als Potenzial oder sogar als ökonomische Ressource begriffen. Kaum ein internationales Unternehmen, das heute noch ohne Diversity-Strategie auskommt oder sich nicht zumindest öffentlich zur Vielfalt bekennt.

Die Wurzeln des Konzepts finden sich jedoch nicht im betrieblichen Kontext, sondern in der US-Bürgerrechtsbewegung und der schwarzen Frauenbewegung. Aktivist:innen kämpften für rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung und damit auch für einen Schutz vor Diskriminierung, der 1964 schließlich im Civil Rights Act festgeschrieben wurde – ein Meilenstein.

Managing Diversity

Entsprechende Regelungen für die Arbeitswelt veranlassten auch Unternehmen dazu, gegen Diskriminierung im Betrieb vorzugehen. Als besonders einflussreich erwies sich jedoch die in den 1980er-Jahren publizierte Studie "Workforce 2000". Der Anteil weißer Männer an der Erwerbsbevölkerung in den USA werde weiter abnehmen, so der Bericht, Unternehmen müssten auf der Suche nach den besten Köpfen also auf Vielfalt setzen. Diversity-Management wurde populär – und fand seinen Weg mit einiger Verzögerung auch nach Europa. Nicht nur bei der Rekrutierung, auch bei der Gestaltung von Arbeitsprozessen entdeckten Personalabteilungen die Vorteile gemischter Teams. "Unterschiedliche Perspektiven helfen uns allen, mehr zu erreichen", so formuliert es Microsoft heute auf seiner Website.

Feministinnen standen diesem Ansatz vielfach kritisch gegenüber. Nicht nur, dass Diversity-Beauftragte in Konkurrenz zur Frauenförderung zu geraten schienen, die marktkonforme Logik der Vielfalt beinhaltet allerlei Tücken. So blendet sie etwa nicht verwertbare Merkmale aus und führt nicht selten zu einer Essenzialisierung. Etwa wenn Frauen in ein männerdominiertes Team geholt werden, um dort mit ihren (ihnen zugeschriebenen) sozialen Fähigkeiten zu punkten. Oft ausgespart bleibt zudem die soziale Herkunft, eine Kategorie, die viele Bildungseinrichtungen längst in ihr Diversitätsverständnis eingegliedert haben.

Mehr Schein als Sein

NGOs und Unternehmen setzen zunehmend auch in ihrer Außendarstellung auf Vielfalt – und ernten immer wieder harsche Kritik für sogenanntes Diversity-Washing. Etwa wenn sie einzelne Personen ins Rampenlicht rücken und damit bloß ihre strukturellen Schwachstellen kaschieren. In der Realityshow "Germanys Next Topmodel" mussten Kandidatinnen wiederum ihr vermeintliches Anderssein unterhaltsam in Szene setzen: Statt Schönheitsnormen aufzubrechen, würden dabei bloß neue Standards für "Curvy Models" oder Transfrauen kreiert, so Kritiker:innen.

Dass Diversity-Schulungen gerade in Forschung und Technik dringend nötig erscheinen, beweisen wiederum Sensoren, die schwarze Haut nicht erkennen, oder Algorithmen, die Frauen bei der Kreditvergabe benachteiligen. Viel zu oft noch dient der weiße Mann als Standard. Das wiederum beschränkt die Möglichkeiten vieler Menschen, sich frei zu entfalten und geschützt vor Diskriminierung zu leben. Ein Umstand, dem ein gerechtigkeitsbasiertes Verständnis von Diversity den Kampf ansagt. (Brigitte Theißl, 14.9.2022)