Wer in Julia Körners Wiener Atelier die Ausstattung einer klassischen Künstlerin erwartet, der ist auf dem Holzweg: Statt Farbeimern und Staffeleien stehen hier moderne Computer, anstatt dass Menschen die Pinsel schwingen, surren 3D-Drucker leise vor sich hin und lassen neue Skulpturen entstehen. Körner ist eine Künstlerin, die mit modernen Mitteln ihre Ideen in die physische Form überträgt.

Mediale Aufmerksamkeit erlangte sie, als sie Kostüme für den Marvel-Kinofilm "Black Panther" gestaltete. Dem STANDARD erzählt sie bei einem Besuch an ihrem Arbeitsplatz, wie es zu dieser Kooperation kam, wie sie arbeitet – und warum 3D-Druck deutlich komplexer ist, als bloß auf die "Start"-Taste einer Maschine zu drucken.

Anruf aus Hollywood

Ihr erstes Atelier hatte Körner 2015 in Salzburg gegründet und dort vor allem 3D-Druck-Werke für Pariser Haute-Couture-Häuser produziert, bevor sie 2016 einen Anruf aus Hollywood bekam – von der afroamerikanischen Kostümdesignerin Ruth Carter, die gemeinsam mit Regisseur Ryan Coogler an der Vision eines Königshauses arbeitete, das technologisch inspirierte Kostüme trägt.

Zu diesem Zeitpunkt wusste Körner noch nicht, dass sie an "Black Panther" mitarbeiten würde, der Film wurde vorerst unter dem Codenamen "Motherland" produziert. Eine Google-Suche führte die Österreicherin zu einem afrikanischen Film aus den 1970er-Jahren, dementsprechend generierte sie ihre ersten Designs auf Basis von Mustern aus der Zulu-Kultur.

Angela Bassett trägt in "Black Panther" Kopfschmuck von Julia Körner.
Foto: Marvel Studios

Später erfuhr sie den Start der Drehtermine und den Namen der Schauspielerin Angela Bassett, deren Krone sie gestaltete. Erst deutlich später hörte sie den Namen "Black Panther". "Erst als der Presale zwei Monate vor der Premiere ausverkauft war, wurde mir klar, welche Tragweite dieses Projekt hat", sagt Körner: "Bis dahin war ich kein Marvel-Fan, doch jetzt bin ich einer."

Carter wurde später als erste afroamerikanische Frau für einen Oscar nominiert. Körner gestaltete für diesen Anlass innerhalb von drei Wochen eine Stola, die im 3D-Drucker hergestellt wurde. Carter erwähnte Körner in zahlreichen Interviews, und die Folgeaufträge ließen nicht lange auf sich warten: 2019 wirkte sie an "Captain Marvel" mit, ein weiteres Werk folgt diesen Herbst.

Nicht einfach "Start" drücken

"Es kamen noch viele weitere Anfragen, aber 3D-Druck ist eigentlich kostenintensiv, und die Designprozesse sind lange. Vor allem, wenn es sich um individuelle Anfertigungen handelt", sagt Körner. Derzeit produziert sie in Österreich und den USA jeweils für die lokalen Märkte – mit kleinen Teams und teuren Geräten. Dabei entstehen neben Kostümen für Filme auch andere Designobjekte, die immer wieder in diversen Kunstausstellungen gastieren.

Beim FDM-Druck werden die Objekte Schicht für Schicht aufgetragen.
Foto: Regine Hendrich

In Wien werden etwa Vasen verschiedener Größen und Formen im sogenannten FDM-Verfahren ("Fused Deposition Modeling") produziert. Bei diesem Verfahren schmilzt der Drucker zuerst das Plastik und trägt es dann Schicht für Schicht auf Basis eines 3D-Modells auf, bis das fertige Objekt entsteht.

Die Vasen gibt es in verschiedenen Größen und Formen.
Foto: Regine Hendrich

Der größte Drucker in Körners Atelier ist rund 1,70 Meter groß und kann Objekte bis zu einer Höhe von 90 Zentimetern drucken. Die Vasen entstehen in verschiedenen Größen und Formen, die Druckzeit pro Vase variiert je nach Größe zwischen einer Stunde und zwei Tagen. Die unterschiedlichen Formen entstehen auf Basis eines Algorithmus, dessen Skript das Team innerhalb von acht Monaten selbst geschrieben hat. Dieses berechnet entsprechende Abhängigkeiten, sodass eine Veränderung an einem Teil der Vase automatisch Änderungen an anderer Stelle bewirkt und das final gedruckte Objekt somit stabil ist.

Taschen und Jacken aus dem 3D-Drucker

Auch an anderen Objekten experimentiert Körner gerne. So werden etwa Handtaschen mithilfe eines sogenannten Resin-Printers erstellt: ein Verfahren, bei dem die Objekte entstehen, indem flüssiges Kunstharz gehärtet wird. Dies hat den Vorteil, dass das fertige Werk wie aus einem Guss wirkt, während geschulte Augen bei FDM-Drucken einzelne Schichten ausmachen können.

Julia Körner mit einer Tasche aus dem Resin-Drucker.
Foto: Regine Hendrich

Bei einem anderen Projekt ließ Körner eine Jacke entstehen, indem sie kleine Stäbe mithilfe eines FDM-Druckers auf ein Stück Stoff druckte. Durch den mehrfarbigen Druck entsteht die Illusion bunter Tentakel.

Bunte Tentakel, gedruckt mit einem FDM-Drucker.
Foto: Regine Hendrich

Geben und Nehmen mit der Natur

Doch steht 3D-Druck nicht auch für Plastik und somit für umweltschädliches Material? Ja – doch auch dem versucht Körner entgegenzuwirken. So wurden die Vasen so gestaltet, dass sie ohne "Support" gedruckt werden können: Darunter versteht man Unterstützungsmaterial, das für das Drucken horizontaler Objekte nötig ist und nach dem Druck meist weggeschmissen wird. Diesen Abfall vermeidet Körner mit ihrer Herangehensweise. Das Harz für den Resin-Drucker besteht wiederum aus pflanzlichem Material, konkret aus Sojabohnen und Mais.

Zugleich lässt sich die Künstlerin für ihre Werke bei Spaziergängen in der Natur inspirieren. Die besagte Jacke basiert auf der Makroaufnahme eines Regenbogenfalters, an anderer Stelle dienten Pilze oder getrocknetes Seegras als Vorlage. Wo hier wohl die Parallelen zwischen der chaotischen Natur und dem millimetergenau gedruckten Objekt zu finden sind? Körner muss nicht lange überlegen, Gedanken zu diesem Thema hat sie sich während der zahlreichen Spaziergänge und Atlantikflüge wohl viele gemacht. "Die Pflanze entsteht aus einem Material und kann dabei doch unterschiedliche Formen und Farben annehmen", sagt sie: "So verhält es sich auch mit dem 3D-Druck. Mit dem gleichen Material können je nach Geometrie ganz unterschiedliche Objekte mit verschiedenen Stärken, Formen und Funktionen entstehen." (Stefan Mey, 16.9.2022)