Die erfolgreichen Vienna Vikings, hier im Bild Alleskönner Exavier Edwards, wollen keine Nomaden mehr sein und wünschen sich ein eigenes Stadion in Wien.

Foto: Imago/Eibner

Wurde zu Wiens Sportler des Jahres gewählt: NFL-Rookie und Ex-Viking Bernhard Raimann.

Reuters/Ruszkowski

Im österreichischen Football ist man so manche Watsche gewohnt. Nicht nur auf dem Spielfeld, wo es mitunter hart zugeht, sondern auch abseits. Die jüngste tut aber immer noch weh. Fünf Tage vor dem Halbfinalspiel in der European League of Football (ELF) waren die Vienna Vikings vergangene Woche vom Fußballklub Austria Wien vor die Tür gesetzt worden, wegen des Rasenzustands und des angesagten Regenwetters durfte man nicht in der Generali-Arena spielen.

Karl Wurm empfindet keinen Ärger ob der Absage, er beschreibt seinen Wesenszustand schlimmer: "Es ist mir wurscht. Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit. Für mich persönlich führt kein Weg mehr an den Verteilerkreis zurück. Darüber wird auch die Austria sehr froh sein", sagt Wurm zum STANDARD. Der 70-jährige Wiener ist Präsident der Vienna Vikings, eine kurzfristige Alternative für die Zukunft sieht er im Ausbau des vereinseigenen Trainingszentrums in der Ravelinstraße in Simmering. Dort wurde schlussendlich auch das ELF-Halbfinale gegen Barcelona gespielt, vor etwas mehr als 1000 Zuschauern. Mit dem Bau von Stahlrohrtribünen könnte die Kapazität auf 3500 erhöht werden. Aber wäre das eine ansprechende Lösung für Österreichs Rekordmeister?

Wien ehrt Footballer

Wurm steht seit fast 30 Jahren an der Spitze der Vikings, mindestens halb so lange führt er schon Gespräche mit der Stadt Wien über eine neue Sportstätte für Football und andere Randsportarten. Ein "aufgezwungenes Nomadentum" sieht Michael Eschlböck, Präsident des American-Football-Bundes Österreich (AFBÖ). Vereine wandern von Stadion zu Stadion und hoffen darauf, irgendwo willkommen zu sein. "Es geht ja nicht nur uns so, auch andere Sportarten hängen von der Gunst von Fußballfunktionären ab. Die Politik unterstützt das mit unzähligen Millionen, und wir dürfen fröhlich durch die Finger schauen", sagt Eschlböck.

Der AFBÖ beklagt ebenso wie die Vikings, in einen Sportstätten-Entwicklungsplan der Stadt nicht einbezogen worden zu sein. Dass NFL-Rookie Bernhard Raimann, der bei den Vikings Football spielen lernte, nun ausgerechnet von der Stadt zu Wiens Sportler des Jahres gewählt wurde, ist in diesem Zusammenhang skurril. In Österreich gibt es mit der Ravelinstraße und Innsbruck nur zwei echte Football-Trainingszentren, wo der Verband auch Nachwuchsländerspiele ausrichtet. Am Tivoli wurde im vergangenen Jahr der Austrian Bowl ausgetragen. Dort spielt die WSG Tirol, es gibt also auch eine Doppelbelastung für den Rasen. "Trotzdem ist das Grün dort in Ordnung, vielleicht ist der Tiroler Platzwart besser als bei der Austria", sagt Eschlböck.

Keine Fußballer als Hauptmieter

Karl Wurm erinnert sich in seiner langen Amtszeit an so manche kurzfristige Stadionabsage, darunter auch auf der Hohen Warte. "Döbling ist eine wunderbare Naturarena, den Rasen hätte man aber schon vor Jahren grundsanieren müssen. Damit meine ich 80 bis 90 Zentimeter Rasen abtragen und eine ordentliche Drainage verlegen gegen Regenwasser." Für Eschlböck wurde Österreichs Football auf der Hohen Warte "regelrecht misshandelt", Geld in Schulden des Fußballvereins gesteckt anstatt in den Platz.

Andere Stadien in Wien, etwa jene vom FavAC, Donaufeld oder dem FAC in Floridsdorf, sind für Football nur bedingt geeignet. Ein reines Football-Stadion könnte man für 800.000 Euro bauen, rechnet Wurm vor. Heimspiele in Schwechat sind für den Wiener Verein kein Thema. Eschlböck kann sich eine Partnerschaft mit anderen Randsportarten wie Rugby oder Lacrosse vorstellen, solange kein Fußballverein Hauptmieter ist.

Die Vikings hatten in ihrer ersten Saison in der ELF im Schnitt 3500 Zuschauer. Hinter Rapid, der Austria und dem Eishockeyverein Vienna Capitals sind die Footballer auf Rang vier in Wien in puncto Fanzuspruch. Die Vikings sind ein großer Verein, zählen etwa 270 Nachwuchsspieler, dazu kommen neun Cheerleading-Teams und eine Frauenmannschaft. In der ELF finalisiert man nach einem Sieg gegen Barcelona am 25. September im Wörtherseestadion in Klagenfurt gegen die Hamburg Sea Devils, kann sich zum besten Football-Team Europas küren. "Wir hätten es verdient, dass die Stadt Wien für uns in den Sack greift", sagt Wurm.

Ist das Tischtuch mit der Wiener Austria zerschnitten? Zu Vorstand Gerhard Krisch pflegt Wurm ein korrektes Verhältnis, er sieht in ihm nur den Überbringer der Botschaft. Die Zusammenarbeit funktionierte anfangs. "Rechtlich hat die Austria womöglich nichts falsch gemacht. Ob es moralisch in Ordnung war, beim ersten Gegenwind einen Vertrag aus der Tasche zu ziehen, darüber lässt sich diskutieren." (Florian Vetter, 16.9.2022)