Foto: APA / Gert Perauer

Pro: Ein E-Bike bringt auch Unsportliche zum Sport

Dafür, dass es mich in der Landschaft verteilt hat, kann das E-Bike nichts. Es ging bergab – und ich brauchte in dem Moment die elektrische Unterstützung nicht. Mit einem normalen Rad wäre ich auch nicht langsamer gewesen. Oder doch. Denn mit einem normalen Rad hätte ich mir die Reise erst gar nicht angetan.

Mit dem faltbaren Luxuszelt am Anhänger, kommt man nur mit dem E-Bike wirklich nennenswert weiter – so es einen nicht gleich am Anfang aufstraht.
Foto: Guido Gluschitsch

Zu Beginn des Sommers war ich mit einem E-Bike und einem Campinganhänger unterwegs. Es war ein schweres Gespann. Ich fahre öfter mit einem Waffenrad samt beladenem Hänger. Ich hatte also einen guten Vergleich. Mit dem Selbertretradl samt Hänger schaff ich es bis zum Supermarkt oder der Altstoffsammelstelle. Keines meiner Ziele ist viel weiter als einen Kilometer entfernt. Mit dem E-Bike und der Campingausrüstung legte ich in zwei Stunden fast 50 Kilometer zurück. Ohne das E-Bike wäre ich wohl im Liegestuhl geblieben.

Oben, aufm Berg

Vergangenes Jahr, ich war gerade mit meinem nicht elekritfizierten Mountainbike am Bäckersteig im Himaleithagebirge, traf ich dort einen Mann. Ich schätzte ihn auf etwa 80 Jahre. Er war mit einem E-Bike unterwegs. Wir fuhren ein Stück gemeinsam und waren am höchsten Punkt ähnlich verausgabt. Radfahren ist sein langjähriges Hobby. Ohne Elektro-Unterstützung, erzählte er mir, könnte er hier nicht mehr fahren. Er sei aber froh, in der Natur zu sein und nicht wie andere seines Alters schon am Vormittag beim Wirt zu sitzen.

Ein E-Bike holt uns vom Sofa, vom Wirt, reißt uns aus der Lethargie. Weil es einfach Spaß macht, damit zu fahren. Jeder kann genau den Grad der Unterstützung wählen, der gerade perfekt ist, um am Radfahren Spaß zu haben. So motiviert es, rauszugehen und sich zu bewegen. Auch einen Teil der 3,7 Millionen Menschen, die in Österreich übergewichtig sind. Sie sind nicht übergewichtig, weil sie E-Bike fahren, sie haben dank des E-Bikes eine Chance, sich an der frischen Luft zu bewegen, gesünder zu werden und Spaß zu haben. Das E-Bike ist wie eine Versicherung, die den inneren Schweinehund niederringt, auch wenn der Gegenwind aufkommt.

Ein E-Bike bringt auch alte und unsportliche Männer an die frische Luft, wie dieses Bild beweist.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Ein anderer positiver Aspekt ist, dass ein Pedelec, wenn schon nicht das Auto, dann doch zumindest oft das Moped ersetzt. Wer hasst sie nicht, die alten knatternden Zweitakter, die immer seltener werden. Ein Pedelec dagegen ist leise und stinkt nicht. Und mehr Übung als ein Moped braucht das elektrifizierte Rad auch nicht.

Die dritte ideale Anwendung der elektrischen Unterstützung ist dann schon eher was für Enthusiasten: das Lastenrad. Dieses kann nämlich wirklich auf vielen Strecken das Auto ersetzten – etwa wenn es um den Wocheneinkauf geht oder darum, die Kinder in die Schule zu bringen.

Gutes Rad ist teuer

Im Grunde ist ein E-Bike nur dann schlecht, wenn es nicht genutzt wird. Denn dann sind die Ressourcen vergeudet.

Und trotzdem besitze ich kein E-Bike. Warum nicht? Das ist schnell erklärt.

Einen Nachteil haben E-Bikes nämlich. Sie sind teuer. Und mir ist ein Muskelkater oder eine in die Ketten hängende Zunge immer noch lieber als ein riesiges Loch am Konto. Was erschwerend dazukommt: Ich käme mit einem E-Bike nicht aus – ich hab das wohl durchdacht. Ich bräuchte ein Mountainbike, ein Alltags- und ein Lastenrad. Aber an dem Tag, an dem ich mich für eines entscheiden kann, schlage ich zu. (Guido Gluschitsch, 15.9.2022)


Contra: Mit E-Bikes passieren zu viele Unfälle

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen auf dem Tandem mit einem Tour-de-France-Fahrer, der die ganze Arbeit für Sie macht. Klingt gemütlich, oder? Nun können wir uns leider nicht alle einen Radprofi als Tandempartner leisten. Deshalb wurde das E-Bike erfunden. Früher hießen die Dinger, die von selbst fuhren und auf deren Pedalen man zur optischen Täuschung die Beine mitbewegen konnte, Maxi-Mopeds. Den im gesetzten Alter angekommenen Maxi-Fahrern gibt die Industrie nun das, was sie wollen, und das in Grün: das gute Gefühl, überall hinzukommen, ohne etwas dafür tun zu müssen. Wirklich treten zum Beispiel. Oder lernen, mit dem neuen Spielzeug sicher umzugehen.

Wer für eine dekarbonisierte Zukunft ist, muss selber treten und nicht treten lassen.
Foto: Michael Windisch

Denn ein E-Bike ist doppelt so schwer und doppelt so schnell wie das, was die meisten bisher vom Sonntagsausflug zum nächsten Eissalon gewohnt waren. Dass dieses Gefährt auch beherrscht werden muss, liegt auf der Hand. Leider nicht für viele Neo-E-Bikerinnen und -Biker, die dann dafür auf dem Boden liegen.

Unfallzahlen

Die Zahl der verunglückten Radfahrer hat sich seit 2018 verdoppelt, die der E-Biker verachtfacht. Gerade am Berg verwenden E-Freunde den Motor als Zugmittel hinauf, um dann mit lautem Trara auf Schotterstraßen talwärts zu sausen, wie sie es auf Facebook und Instagram gesehen haben. Fahrtechnik, die mit Trainingskilometern wächst: geschenkt. Wem es immer noch zu langsam geht, der kann zu Dopingmitteln greifen und um 150 Euro online Tuning-Kits bestellen. Damit ist auch die lästige 25-km/h-Schranke gegessen. Freuen kann sich an all dem eine Industrie, die mittlerweile völlig von der Elektrifizierung abhängig ist. Jedes zweite in Österreich verkaufte Fahrrad hat einen E-Antrieb.

Jeder Kilometer, der unmotorisiert zurückgelegt wird, ist damit um vieles sauberer als der sauberste Kilometer mit E-Antrieb.
Foto: Michael Windisch

2021 machten E-Bikes 73 Prozent des Umsatzes im Fahrradhandel aus. Jahrelang wurde die Branche indirekt über Förderungen von Bund, Ländern und Gemeinden gemästet, die diese an Private ausbezahlten, die sich ein Elektrofahrrad in die Garage stellen wollten. Warum zweirädrige Freizeitgestaltung aber nur dann von der öffentlichen Hand subventioniert werden soll, wenn sie elektrisch vonstattengeht, bleibt ein Rätsel. Förderungen von Kinderrädern, deren Preis in den letzten Jahren ebenfalls explodierte, wären ein nachhaltigeres Investment in eine dekarbonisierte Zukunft. Zumindest für "normale" Räder – denn natürlich gibt es längst auch E-Bikes für Kinder.

E-Bikes ersetzen keine Autos

Das Argument, E-Bikes würden Autos etwa auf dem Arbeitsweg ersetzen, hält kaum. Laut einer Deloitte-Studie kaufen 75 Prozent der Österreicherinnen E-Bikes primär zu sportlichen und Freizeitzwecken, nur 18 Prozent für den Arbeitsweg: Für den Urlaub kann man dann das Rad auf die Autoanhänger packen. Der geringe CO2-Ausstoß von zwei bis fünf Gramm CO2 pro Kilometer ist zwar begrüßenswert. Rechnet man aber über den gesamten Lebenszyklus eines E-Bikes, kommt man nach Herstellerangaben schnell auf 14 Gramm pro Kilometer, was zeigt, dass vor allem die Produktion von Motor und Akku beträchtliche Emissionen verursacht. Jeder Kilometer, der unmotorisiert zurückgelegt wird, ist damit um vieles sauberer als der sauberste Kilometer mit E-Antrieb. Vielleicht kommt man ohne Motor am Anfang nicht so weit. Aber man gibt sich die Chance, mit jeder Fahrt zu wachsen und beim nächsten Mal weiter zu fahren. Von selbst. Einfach so. (Michael Windisch, 15.9.2022)