Rund 16.500 Beschäftigte fehlen im Tourismus. Während bzw nach der Pandemie haben sich viele dort Beschäftige neue Branchen gesucht.

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Egal, ob im Handel, in der Gastronomie oder bei Handwerksbetrieben, ein "MitarbeiterIn gesucht"-Schild gehört bei unzähligen Unternehmen in Österreich zur fixen Schaufensterdekoration. In jeder Branche stöhnen Arbeitgeber, kein passendes Personal zu finden. Es sind so viele Jobs offen wie selten zuvor. Gleichzeitig haben auch so viele Menschen einen Job wie seit langem nicht mehr.

Aktuellen Daten des Arbeitsmarktservice (AMS) zufolge hatten rund 302.000 Menschen vergangene Woche keinen Job (60.000 davon in Schulung). Sogar vor der Pandemie gab es mehr Arbeitslose. Dem stehen bis zu 260.000 unbesetzte Stellen gegenüber, wie aus den Daten der Statistik Austria und des inoffiziellen Stellenmonitors des Wirtschaftsbundes hervorgeht. Beim AMS sind davon lediglich 140.000 Posten gemeldet.

"Viele Unternehmen melden ihre offenen Posten gar nicht mehr beim AMS, weil es ohnehin aussichtslos ist, jemand passenden vermittelt zu bekommen", sagt Ökonom Hanno Lorenz vom unternehmernahen Thinktank Agenda Austria. Auch die Rekrutierungszeit habe sich deutlich verlängert. Waren es bis vor fünf Jahren noch 20 bis 40 Tage, bis ein neues Gesicht in der Firma anfängt, seien es mittlerweile bereits 60 bis 80. Tendenz steigend. "Deswegen beauftragen vor allem jene Betriebe Personalvermittlungsfirmen oder Headhunter, die Menschen mit höheren Qualifikationen suchen", meint Lorenz.

Metall, Tourismus, Handel

In einer Studie hat die Agenda Austria herausgearbeitet, wo der Mangel besonders groß ist. Die meisten offenen Stellen gab es im August demnach bei Metall-Elektroberufen (rund 18.300), im Tourismus (rund 16.500) sowie im Handel (knapp 16.300). Unterschiedlich sei die Lage bei den Arbeitssuchenden in einzelnen Branchen. Während im Handel deutlich mehr Arbeitslose als offene Stellen vorhanden seien, sieht das Verhältnis bei den Metall-/Elektroberufen ausgeglichen aus. IT-Fachkräfte führt die Denkfabrik nicht eigens an – es fehle eine klare Definition, wer dazuzählt und wer nicht. Digitalisierungsbedingt fielen sie fast überall rein.

An der Wirtschaft geht diese Entwicklung nicht mehr spurlos vorbei. Restaurants mit verkürzten Öffnungszeiten, Handwerker mit endlosen Auftragslisten oder Erntehelfer aus dem Fernen Osten: Mehr als 30 Prozent der Unternehmen im Dienstleistungsbereich und 20 Prozent im Industriesektor gaben laut Agenda zuletzt an, dass sie aufgrund fehlender Arbeitskräfte nicht normal wirtschaften können.

Zahlreiche Gründe

Gründe dafür gibt es einige. So wirke etwa die Pandemie noch nach, heißt es in der Studie. Mehr Menschen hätten sich für Teilzeit entschieden. Dazu kommt das viel zitierte regionale Mismatch. "Die Mobilitätsbereitschaft ist in Österreich nicht sehr hoch. 15 Prozent der Arbeitslosen könnten sofort einen Mangelberuf in einem anderen Bundesland annehmen", sagt Lorenz.

Bei Mangelberufen wirkt sich die Entwicklung besonders stark aus. Mehr als 83.000 offene Stellen entfielen zuletzt auf Berufe wie Installateur oder Elektriker. Gegenüber 2019 ist das laut der Agenda-Erhebung eine Verdreifachung. Als Mangelberufe gelten jene Berufe, in denen innerhalb eines Jahres weniger als 1,5 Arbeitssuchende pro offene Stelle zur Verfügung standen und mindestens 100 Stellen ausgeschrieben sind. Handwerker stehen schon lange darauf, heuer kam erstmals der Kellnerberuf dazu. Fast 70 Berufe umfasst die jährlich aktualisierte Liste mittlerweile.

Demografie

Der Segen der modernen Medizin für die Lebensdauer wird allmählich zum Fluch am Arbeitsmarkt. Menschen werden älter, Junge kommen nur wenige nach. Im Jahr 2050 soll es 2,66 Millionen Menschen geben, die älter als 65 sind. Im erwerbsfähigen Alter werden dann 5,2 Millionen sein – ein Rückgang um 300.000 Personen. (Andreas Danzer, 15.9.2022)