Schon das zweite Jahr in Folge haben die Thaya-Auen Besuch von zwölf Aubrac-Rindern. Sie sollen dazu beitragen, dass seltene Pflanzen- und Tierarten wieder nach Rabensburg zurückkehren.

Foto: ÖKL

In der Praxis sind die hohen Anforderungen an die moderne Landwirtschaft kaum zu erfüllen. Einerseits soll sie möglichst große Erträge erzielen, dabei aber gleichzeitig auf die Umwelt Rücksicht nehmen und die Artenvielfalt fördern. In Rabensburg an der Thaya versucht eine kleine Gemeinschaft von Landwirten und Landwirtinnen dennoch genau das. Mit ihrem im Vorjahr gestarteten Beweidungsprojekt können sie nun bereits erste Erfolge vorweisen.

Die Thaya-Auen im Dreiländereck Tschechien, Slowakei und Österreich rund um die Gemeinde Rabensburg wurden 1982 zum Naturschutzgebiet erklärt. Kernstück des Schutzgebiets sind die sogenannten Bauernwiesen. Dabei handelt es sich um rund 130 Hektar große Auwiesen, die in unregelmäßigen Abständen von der Thaya überflutet werden.

Um zu verhindern, dass diese verbuschen und schließlich verwalden, muss regelmäßig der Aufwuchs entfernt werden. Bisher geschah das durch Mahd, doch da es in der Region kaum noch viehhaltende Betriebe gibt, gibt es auch keine Abnehmer für das dabei anfallende Heu. Die ansässigen Landwirte, die für die entsprechenden Pflegemaßnahmen zuständig sind und dafür Förderungen aus dem österreichischen Agrar-Umweltprogramm (Öpul) des Landwirtschaftsministeriums erhalten, stehen damit vor einer Herausforderung.

Zurück zur Beweidung

Im Vorjahr entschlossen sich daher fünf Rabensburger Bäuerinnen und Bauern, einen anderen Weg zu gehen, nämlich die Flächen beweiden zu lassen. Dazu gründeten sie den Verein Weidegemeinschaft Rabensburger Thaya-Auen, stellten 14 Hektar Fläche zur Verfügung und fanden mit dem Biohof Harbich in Aderklaa auch einen Viehzuchtbetrieb, der die Tiere dafür bereitstellt.

Viele seltene Insekten und Vögel kehrten mit den Aubrac-Rindern in die Thaya-Auen zurück.
Foto: ÖKL

In diesem Jahr grast bereits zum zweiten Mal eine Herde von zwölf Rindern auf den Bauernwiesen, und zwar abwechselnd auf einer von drei großen eingezäunten Koppeln. Ein vom Österreichischen Kuratorium für Landtechnik und Landentwicklung (ÖKL) koordiniertes und vom Land Niederösterreich finanziertes Pilotprojekt soll zeigen, ob diese Art der Nutzung imstande ist, die gewünschten Naturschutzziele zu erfüllen. Dazu erfolgt auch ein Monitoring der Vegetation, der Vögel und der Heuschrecken auf den Flächen durch das Ingenieurbüro Vienna Institute for Nature Conservation and Analyses (Vinca).

Bis in die 1960er-Jahre waren die Rabensburger Wiesen Teil eines Weideverbands, der bis nach Tschechien reichte. Dann allerdings begannen immer mehr Landwirte, die Viehhaltung aufzugeben und nur noch Ackerbau zu betreiben, wofür viel Grünland umgebrochen und in Felder umgewandelt wurde.

Das heutige Naturschutzgebiet ist einer der letzten Bereiche, in denen die ursprüngliche Landschaft noch erhalten ist. Sie bietet zahlreichen seltenen Pflanzen- und Tierarten Lebensraum, was ein wesentlicher Grund dafür war, dass das Gebiet unter Schutz gestellt wurde.

Starker Artenrückgang

In den Jahren seit Aufgabe der Beweidung ist der Bestand vieler Arten jedoch deutlich zurückgegangen: Vögel, die sich von großen Insekten ernähren, weisen in den vergangenen 20 Jahren einen massiven Rückgang auf, darunter etwa Kiebitz, Raubwürger und Rotschenkel. Arten wie Blauracke und Wiedehopf sind überhaupt völlig verschwunden. Und das, obwohl das Areal heute mehr unbewirtschaftete Flächen aufweist als noch in den Anfängen des Schutzgebiets.

Laut dem Vinca-Ökologen Tobias Schernhammer liegt das daran, dass die Landschaft Mitteleuropas seit der letzten Eiszeit von Rindern geprägt wurde – erst von Auerochsen und Wisenten, dann von Hausrindern: "Sehr viele Arten sind daran angepasst, und mit der Aufgabe der Beweidung haben wir ein komplettes Biotop aus dem Ökosystem herausgenommen."

Auch Fledermäuse profitieren von mehr Insekten. Foto: MissMhisi CC BY-SA 4.0

Tatsächlich schaffen Rinder eine kleinräumig vielfältige Landschaft: Einerseits beißen sie die Pflanzen nicht so geradlinig ab wie etwa Schafe oder auch ein motorbetriebener Rasenmäher. Andererseits reißen sie beim Gehen oft die Grasnarbe auf oder schaffen mit ihren schweren Tritten überhaupt vegetationsfreie Stellen. All das schafft Lebensräume für verschiedenste Insekten, die wiederum Nahrungsgrundlage für andere Tiere wie Vögel und Fledermäuse sind.

Die Rinder bringen außerdem ein ganz spezielles Habitat mit sich, nämlich die Kuhfladen, die einer Vielzahl von Insekten Lebensraum und Nahrung bieten. Einer britischen Studie aus den 1950er-Jahren zufolge "erzeugt" eine 500 Kilogramm schwere Kuh auf diesem Wege circa 100 Kilogramm Insekten-Biomasse pro Jahr. Zu den prominentesten Besiedlern der Fladen gehören Mistkäfer, deren Bestände in den vergangenen Jahrzehnten in Ostösterreich stark abgenommen haben.

Überraschender Fund

Umso mehr staunten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen einer Exkursion im Juni, als sie in einem Dunghaufen auf einer Rabensburger Koppel ein Paar des ebenso eindrucksvollen wie seltenen Mondhornkäfers (Copris lunaris) entdeckten. Von dieser Käferart profitieren unter anderen Fledermäuse wie das Große Mausohr (Myotis myotis), die sich hauptsächlich von ihnen ernähren. Auch insektenfressende Vögel sind auf den Weiden wieder verstärkt zu entdecken, ebenso seltene Wiesenpflanzen.

Die Verantwortlichen setzen nun starke Hoffnungen darauf, dass das Projekt, das fürs Erste auf 2021 und 2022 beschränkt ist, weitergeführt werden kann: "Denn ohne Beweidung geht’s im Naturschutz einfach nicht", ist Schernhammer überzeugt. Für die Fortführung spricht aber auch ein weiteres Argument: Abgesehen von der verbesserten Artenvielfalt tragen extensiv beweidete Feuchtwiesen auch zum Schutz des Klimas bei. Sie speichern deutlich mehr CO2 als hiesige Wälder. (Susanne Strnadl, 16.9.2022)