Geschlagen gab sich die Chefin der Sozialdemokraten, nachdem das Oppositionslager bei der Auszählung am Mittwoch noch einen Sitz auf 176 hinzugewinnen konnte.

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Stockholm – Drei Tage nach der spannenden schwedischen Parlamentswahl ist das Rennen entschieden: Das oppositionelle Mitte-rechts-Lager hat seinen knappen Vorsprung am Mittwoch auch nach der Auszählung von Auslands- und Briefwahlstimmen verteidigen können. Ministerpräsidentin Magdalena Andersson zog noch vor Abschluss der Auszählung am Mittwochabend die Konsequenzen und erklärte in einer Pressekonferenz den Rücktritt, meldete die Nachrichtenagentur TT.

"Das Ergebnis ist klar genug", sagte die Chefin der Sozialdemokraten. Andersson gab sich geschlagen, nachdem das Oppositionslager bei der Auszählung am Mittwoch noch einen Sitz auf 176 hinzugewinnen konnte. Das Lager Anderssons lag damit nur noch bei 173 Mandaten im neuen Reichstag. Nach Einschätzung von Statistikern war die einzige offene Frage, ob das Mitte-Rechts-Lager das 176. Mandat würde halten können. Für kompletten Mehrheitsverlust waren aber nicht mehr genug Stimmen auszuzählen, hieß es. Damit endet die sozialdemokratische Regierung Schwedens nach acht Jahren.

Mit ihrer Demission macht Andersson den Weg frei für eine rasche Regierungsbildung. Parlamentspräsident Andreas Norlén kann nun den siegreichen Oppositionsführer Ulf Kristersson mit der Regierungsbildung beauftragen. Ohne Rücktritt Anderssons hätte die Regierungsbildung erst nach dem Zusammentreten des neuen Reichstags und einem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen die Sozialdemokratin starten können.

Erfolg für rechtspopulistische Schwedendemokraten

Andersson muss wegen des schlechten Abschneidens von zwei ihrer drei Unterstützer, insbesondere der Zentrumspartei, den Hut nehmen. Anderssons Sozialdemokraten konnten nämlich um zwei Prozentpunkte auf 30,4 Prozent zulegen. Einen historischen Erfolg verbuchten die rechtspopulistischen Schwedendemokraten, die mit 20,6 Prozent auf dem zweiten Platz landeten und damit die Konservativen Kristerssons (19,1 Prozent) erstmals überflügelten.

Kristersson kündigte an, das "gespaltene" Land wieder zu "einen". "Jetzt machen wir Ordnung in Schweden", sagte er am Mittwochabend in einem auf Facebook veröffentlichten Video. Er spielte damit auf die eskalierende Bandengewalt an, die nach Einschätzung vieler Beobachter wahlentscheidend war. Die Opposition hatte dem Mitte-Links-Lager Versagen in der Kriminalitätsbekämpfung und Migrationspolitik vorgeworfen und damit bei vielen Schweden einen Nerv getroffen.

Kristersson ist bei der Regierungsbildung auf die rechtspopulistischen Schwedendemokraten angewiesen, die bei der Wahl am Sonntag einen historischen Erfolg einfuhren. Sie landeten nach dem vorläufigen Ergebnis mit 20,5 Prozent der Stimmen auf dem zweiten Platz hinter Anderssons Sozialdemokraten mit 30,3 Prozent. Während beide Parteien zulegen konnten, büßten Kristerssons Konservative leicht auf 19,1 Prozent ein.

Schwierige Regierungsbildung

Die Regierungsbildung dürfte schwierig werden, weil Schwedendemokraten-Chef Jimmie Åkesson eigene Ansprüche angemeldet hat. So stemmen sich insbesondere die Liberalen gegen eine Regierungsbeteiligung der Schwedendemokraten. Åkesson betonte am Mittwochabend in einem Facebook-Eintrag, dass seine Partei in der neuen Regierung "eine konstruktive und treibende Kraft" sein wolle. Es gehe darum, "Schweden wieder an die erste Stelle zu setzen."

Medien sehen die Migration, Sozialpolitik und auch Europapolitik als Knackpunkte in den Regierungsverhandlungen. So stemmen sich die Liberalen gegen die harte Linie der Schwedendemokraten in der Migrationspolitik. Die Konservativen wiederum haben ein Problem damit, dass die Rechtspopulisten das bisherige Sozialhilfeniveau beibehalten wollen. Heikel ist auch die europapolitische Ausrichtung der künftigen Regierung, schließlich übernimmt Schweden im ersten Halbjahr 2023 den EU-Ratsvorsitz. Auch wenn sie ihre Forderung nach einem "Swexit" mittlerweile aufgegeben haben, gelten die Schwedendemokraten als betont europaskeptisch. (APA, 14.9.2022)