Visualisierung des Projekts "Balkensturz" von Ramesch Daha und dem Architekturkollektiv AKT – eigentlich zweitplatziert im Wettbewerb.

Foto: Ramesch Daha, AKT

Das Land Tirol hatte als Auslober von Wettbewerben schon einmal einen besseren Ruf. Zumindest in Architekturkreisen dürfte es seit dem MCI-Skandal gewisse Vorbehalte geben. Der geplante Neubau der Wirtschaftshochschule beschäftigte sogar die Gerichte, nachdem die ÖVP vor einigen Jahren die Sieger eines internationalen Architekturwettbewerbs ausgebootet hatte. Argumentiert wurde das mit einer "Kostenexplosion" von 80 auf bis zu 135 Millionen Euro. Inzwischen gab es einen weiteren Wettbewerb, das MCI wird nun 135 Millionen kosten.

Aktuell wird in Tirol aber über einen ganz anderen Wettbewerb gestritten, es geht dabei nicht (nur) um Architektur und auch nicht ums Geld – sondern um den Vorwurf der politischen Einflussnahme, der sich im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der NS-Zeit besonders unschön ausnimmt. Mindestens aber geht es um ein Kommunikationsdebakel, das eine öffentliche Debatte über intransparente Vergabeprozesse angestoßen hat. DER STANDARD hat darüber bereits berichtet.

Schaden für die Projekte befürchtet

Am Mittwoch erhielt die für Kulturagenden zuständige VP-Landesrätin Beate Palfrader Post von jenem Kollektiv, das das Land eigentlich mit einer künstlerischen Intervention am Innsbrucker Landhaus beauftragen wollte. Dazu wird es wohl nicht mehr kommen. "Mit großer Sorge beobachten wir die unerfreuliche Entwicklung des Wettbewerbs für das Landhaus in Innsbruck", erklären die Künstlerin Ramesch Daha und das Architekturkollektiv AKT in besagtem Schreiben an Palfrader, das dem STANDARD in Auszügen vorliegt.

Die Abwicklung dieses Wettbewerbs habe "zu Unstimmigkeiten geführt, welche die Umsetzung einer künstlerischen Intervention zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Geschichte des Landhauses blockieren. Die mögliche Beauftragung zur Umsetzung möchten wir unter den gegebenen Umständen nicht annehmen, da keines der teilnehmenden Projekte aus dieser unbeschadet hervorgehen kann. Kunst und Kultur gehen vor."

Ramesch Daha beschäftigt sich in ihren Arbeiten immer wieder mit historischen Bruchstellen und kollektiven Erinnerungen. An der Gefängnismauer der Justizanstalt Krems-Stein realisierte sie 2018 das Projekt "06/04/1945", das an die Opfer des als "Kremser Hasenjagd" bekannten NS-Massakers erinnert.

Anfang des Jahres wurde die 1971 in Teheran geborene und seit 1978 in Wien lebende Künstlerin, die seit 2021 auch Secessionspräsidentin ist, zu einem vom Land Tirol ausgelobten Wettbewerb für eine künstlerische Intervention am Neuen Landhaus in Innsbruck geladen. Der Bau ist historisch belastet, wurde er doch von den Nazis als Gauhaus errichtet. Gemeinsam mit dem Kollektiv AKT schlug Daha eine Installation aus 21 symbolisch auf den Landhausplatz geworfenen Deckenbalken aus den ehemaligen Amtsräumen des Tiroler Gauleiters Franz Hofer vor.

Siegerprojekt verschwiegen

Anfang Juli gab das Land per Presseaussendung bekannt, dieses Projekt namens "Balkensturz", das von der Wettbewerbsjury zweitgereiht wurde, realisieren zu wollen. Das wäre an sich noch nicht besonders ungewöhnlich, wären in besagter Aussendung nicht sowohl das Juryvotum als auch das Siegerprojekt, nämlich Franz Wassermanns Textinstallation "Wir haften für unsere Geschichte", verschwiegen worden. Dass das Land sich gegen Wassermanns Projekt entschieden hat, erfuhr sowohl Künstler als auch Jury erst kurz vor den Medien, eine Begründung gab es zunächst nicht.

Wassermann machte die Causa daraufhin öffentlich, seither kursieren Protestschreiben und Offene Briefe, Landesrätin Palfrader entschuldigte sich bei den Künstlerinnen und Künstler schriftlich für das unterschlagene Wettbewerbsergebnis, zuletzt forderten einige Teilnehmerinnen eine öffentliche Präsentation der prämierten Projekte – so war es auch in der Ausschreibung angekündigt. Das Land schwieg sich dazu bislang jedoch aus, was die Kritiker nicht gerade beschwichtigt hat.

"Höchst architektonische Aufgabenstellung"

Die Debatte dreht sich weniger um künstlerische Fragen als vielmehr um den politischen Umgang mit fachlicher Expertise und um mangelnde Transparenz bei kulturpolitischen Entscheidungen. Auch grundsätzliche Kritik am Landhauswettbewerb wird laut. Der Landhausplatz wurde 2010 von LAAC-Architekten gestaltet, weshalb man sich auch erwartet habe, in den künstlerischen Wettbewerb miteinbezogen zu werden, sagt Architektin Kathrin Aste. Passiert sei das nicht. Speziell an diesem Ort mit seinen unterschiedlichen Denkmälern handle es sich aber auch um eine "höchst architektonische Aufgabenstellung", sagt Aste. In Tirol sei jedoch "ein Dilettantismus am Werk, der grauenvoll ist".

Mit ihrem Entschluss, den Auftrag nicht anzunehmen, haben Daha und AKT sich nun aus der Debatte herausgenommen. Kulturreferentin Palfrader zeigt sich über diese Entwicklung gegenüber dem STANDARD "erstaunt", sie habe die Künstler "zu einem Gespräch eingeladen".

Die holprige Geschichte des Umgangs mit der NS-Vergangenheit des Tiroler Regierungssitzes ist jedenfalls um ein Kapitel reicher. Die Politik hat das Thema jahrzehntelang ignoriert, erst nach massiver Kritik des Bloggers Markus Wilhelm wurde 2018 eine Historikerkommission beauftragt – und schließlich eine Gedenktafel an der Fassade angebracht, die wiederum von der Opposition als "peinliche Selbstbeweihräucherung" der Regierungsparteien kritisiert wurde. Sie hängt nach wie vor. (Ivona Jelčić, 15.9.2022)