Seltener Paarlauf der Freundeskreissprecher zur GIS-Zukunft: Thomas Zach (ÖVP) und Heinz Lederer (SPÖ).

Foto: Harald Fidler

Wien – Schwarz-rote Einigkeit der ORF-Stiftungsräte in Sachen GIS-Zukunft: Am Rande der Sitzung am Donnerstag appellierten die Sprecher der ÖVP- und der SPÖ-Stiftungsräte, Thomas Zach und Heinz Lederer, gemeinsam an den Gesetzgeber, bis zum ersten Quartal eine neue Regelung zu finden. Auch die Grüne Sigrid Pilz schloss sich dem Appell für rasche Lösungen an, sie plädiert für eine Haushaltsabgabe.

ORF-General: "Muss Lösung in den ersten Monaten 2023 geben"

Update: Einen "dringender Appell" richtete nach der Sitzung auch ORF-Generaldirektor Roland Weißmann an die Politik: "Es muss eine Lösung in den ersten Monaten 2023 geben, das ist auch allen Beteiligten klar".

Umsetzung einer Haushaltsabgabe noch möglich

Wie die GIS auch für Streaming umgesetzt wird, sei Sache des Gesetzgebers, erklärte der ORF-Chef vor Journalisten. Nach Analyse der ORF-Juristen sei aus der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zu GIS und Streaming abzuleiten, dass eine Abo-Lösung, also Zahlen mit Login-Schranke, und eine Budgetfinanzierung den Vorstellungen des Höchstgerichts nicht entsprechen würden.

Damit blieben zwei Möglichkeiten für eine Neuregelung – eine Haushaltsabgabe oder eine Geräteabgabe (Gebühr auch auf streamingfähige Geräte).

Beide Varianten seien noch mit 1. Jänner 2024 umsetzbar, wenn die aktuelle Regelung für die GIS und die Ausnahme für Streaming laut Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ausläuft.

"Derzeit noch alles möglich", sagte Weißmann nach dem Stiftungsrat zur möglichen Lösung. Der ORF müsse aber auf den "sehr straffen Zeitplan" hinweisen. Das sei auch im Ministerium von Susanne Raab (ÖVP) bewusst: "Im Ministerium wird das sehr ernst genommen" nach Weißmanns Einschätzung, dort werde "seit Wochen intensiv daran gearbeitet".

Streaming ohne GIS verfassungswidrig

Der Verfassungsgerichtshof hat Ende Juni entschieden, dass GIS-freies Streaming der Verfassung widerspricht. Das Höchstgericht setzte dem Gesetzgeber eine Frist bis Ende 2023, die Gebühren neu und für alle wesentlichen Nutzungsvarianten von Rundfunk bis Streaming zu regeln.

Wichtigste Einnahmequelle mit 664 Millionen

Die GIS ist die wichtigste Einnahmequelle des öffentlich-rechtlichen ORF. Rund 664 Millionen Euro von insgesamt gut einer Milliarde Umsatz dürften 2022 laut Planung aus den GIS-Gebühren kommen.

"Gesetzgeber Dramatik darstellen"

Mit ihrem gemeinsamen Auftritt wollten die beiden Fraktionssprecher laut Lederer "dem Gesetzgeber die Dramatik darstellen". Für eine neue GIS-Regelung – etwa ob weiterhin Gebühren oder eine Haushaltsabgabe – müssten neue Prozesse implementiert werden, geklärt werden, wer diese Mittel künftig einhebt, und wie sie verteilt würden.

Weder Zach noch Lederer wollten sich am Donnerstag auf eine bevorzugte Lösungsvariante – weiter Gebühr oder doch Haushaltsabgabe wie in Deutschland und der Schweiz – festlegen.

Lederer verwies auf zu klärende "Implikationen" für eine Haushaltsabgabe. Sie könnte "einen Rattenschwanz an Problemen" nach sich ziehen – die es zu bedenken gelte:

  • Länderabgaben Bisher erhalten die sieben von neun Bundesländern gut 150 Millionen Euro aus Regionalabgaben auf die GIS. Zu klären wäre, ob sich solche Landesabgaben auch mit einer Haushaltsabgabe einheben ließen.
  • Vorsteuerabzug Stellt die Republik auf eine Haushaltsabgabe um, wäre zudem etwa vom Finanzminister zu klären, ob der ORF weiterhin vorsteuerabzugsberechtigt wäre. Ein Wegfall der Vorsteuer könnte den ORF nach internen Berechnungen 60 oder mehr Millionen Euro kosten.

Deutschland habe für die Implementierung der Haushaltsabgabe ab 2013 zwei Jahre gebraucht, betonte Lederer.

"Wir alle im Stiftungsrat haben das Anliegen, dass der ORF auf sicheren finanziellen Beinen steht", erklärte Zach am Rande des Stiftungsrats. Die Klärung könne der Gesetzgeber "nicht auf die lange Bank schieben". Der Gesetzgeber müsse "rasch klarstellen, welche Modelle bis 2024 realistisch umsetzbar sind". Zach: "Wir brauchen rasch eine Lösung. Die beste Lösung aller Zeiten ist nicht die beste, wenn sie nicht in der Zeit passiert."

Grüne: Haushaltsabgabe gerechte Lösung

Sigrid Pilz (Grüne) erklärte am Rande der Sitzung, sie sei "angesichts der dramatischen Situation für eine Haushaltsabgabe", diese sei eine gerechte Lösung. Eine Haushaltsabgabe würde für den einzelnen Haushalt nach deutschen Erfahrungen – wegen mehr Zahlern – günstiger.

Es gebe ein "wachsendes Segment an Schwarzsehern", also GIS-freien Nutzern, "das unterminiert das System der Gebührenfinanzierung", sagt Pilz. "Die Politik hat einen Auftrag gekriegt", sagt die grüne Stiftungsrätin, "Aussitzen geht da nicht". Bis 2024 müsse eine Neuregelung umgesetzt sein.

"Keine Zeit zu verlieren"

Update: Der Vorsitzende des Stiftungsrats, Lothar Lockl (Grüne), unterstrich den Appel an den Gesetzgeber nach der Sitzung des obersten ORF-Gremiums. Es gelte "zu handeln und keine Zeit zu verlieren. Der Gesetzgeber muss Vorsorge treffen, dass die nachhaltige Finanzierung des ORF sichergestellt ist. Lockl: "Man darf keine Zeit verlieren. Spätestens mit Jahresbeginn 2023 müssen Entscheidungen fallen, sonst geht sich das nicht mehr rechtzeitig aus."

Abgeltung von Befreiungen

SPÖ-Stiftungsrat Lederer sprach neben GIS-Abmeldungen wegen vorerst noch gebührenfreier Streamingnutzung von zunehmenden Befreiungen wegen der sozialen Lage vieler Haushalte. 2010 bis 2013 hat die Republik dem ORF Gebührenbefreiungen mit zweimal 50 und zweimal 30 Millionen befristet abgegolten.

Der von der ÖVP entsandte Stiftungsrat Zach findet eine solche Abgeltung schlüssig: "Wir erbringen Leistungen, von denen Menschen aus sozialen Gründen befreit sind. Die Befreiungen wurden nicht von uns ausgesprochen." Also wären Refundierungen der Republik "ähnlich wie bei Post und Telekom ein nicht ungeeignetes Mittel", sagt Zach – nach den Budgetmöglichkeiten auf Bundesebene, fügt er an.

Lederer plädiert hier für ein "Gesamtpaket" mit einer "Medienstandortförderung" auch für private Medien – "dann ginge auch die Refundierung leichter" für den ORF.

ORF-General Roland Weißmann spricht von rund 50 bis 60 Millionen Euro an GIS-Einnahmen, die dem Unternehmen durch Befreiungen entgingen. Auf Nachfrage sagt er: "Refundierung ist immer ein Thema für den ORF." (fid, 15.9.2022)