Noah Okafor wurde von Chelseas Kapitän César Azpilicueta lange Zeit abgemeldet, im entscheidenden Moment war der Schweizer aber zur Stelle.

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London/Salzburg – Es schien, als könne auch ein Christoph Freund mal danebengreifen. Über "eines der größten Talente der Schweiz" hatte sich Salzburgs Sportdirektor gefreut, als er am letzten Tag der Winter-Transferphase im Jänner 2020 Noah Okafor vorstellte. 11,2 Millionen Euro sollen die Bullen für den damals 19-Jährigen an Basel gezahlt haben, das war Rekord und wurde später von Lucas Gourna-Douath und Brenden Aaronson übertroffen.

Das Problem an der Sache: Okafor blieb in der nach der Corona-Unterbrechung ausgetragenen Meistergruppe blass, schoss nur drei der 38 Tore seiner Mannschaft. Glanzleistungen brachte der Neuzugang eher auf der Playstation, bei Fifa kratzte der Kicker am Niveau eines E-Sport-Profis. Auf dem analogen Rasen lief es 2020/21 dagegen mäßig, Okafor kam bewerbsübergreifend auf nur 29 Einsätze und traf sechsmal. Kicker, die für einen Bruchteil seiner Ablöse zu Salzburg gekommen waren, hatten den Flügelflitzer links und rechts überholt. "Er hat nicht so eingeschlagen, wie wir alle uns das vorgestellt haben", gestand Freund. In Fanforen witzelte man, Okafor sei "zur Senkung der Gewinnsteuer" da. Das Talentausbildungsfließband schien ausgerechnet bei der teuersten Aktie zu versagen. Was war da los?

Heimweh

Neben allen Statistiken, Taktikanalysen und Ablösesummen geht eine Sache manchmal unter: Fußballer sind Menschen. Okafor hatte Heimweh. Dem Familienmenschen fehlte im ersten Lockdown sein Umfeld, danach machten ihm eine Corona-Erkrankung und Adduktorenprobleme das Leben schwer. Der hochveranlagte Techniker kam nicht ins Laufen. "Es war schwierig für ihn, erstmals weg von der Familie", sagte seine Mutter Nicole dem Schweizer Blick.

Zurück in die Gegenwart. Okafor hat seine Anlagen zur Realität gemacht und mehrfach sein Händchen bzw. Füßchen für die wichtigen Spiele bewiesen. Vergangene Saison schoss er im Champions-League-Entscheidungsspiel gegen Sevilla das Goldtor, nun netzte er gegen Milan und Chelsea. "Vor so einer Kulisse zu spielen und auch noch zu treffen, da geht ein Kindheitstraum in Erfüllung", sagte der 22-Jährige nach dem 1:1 an der Stamford Bridge. Bewerbsübergreifend hat Okafor in den letzten sieben Spielen nur einmal nicht getroffen, in seinen 45 Minuten Einsatzzeit im Cup gegen Union Gurten legte er aber ein Tor auf.

Hätte man doch einfach Christoph Freund vertraut, damals, am 31. Jänner 2020, als er sagte: "Wir sind überzeugt, dass Noah in unserer Art und Weise, Fußball zu spielen, sein großes Entwicklungspotenzial ausschöpfen wird." Dass das nun passiert, geht auch auf Matthias Jaissles Kappe. "Der Trainerwechsel war sehr gut für mich", sagte Okafor nach seinen ersten CL-Treffern gegen Wolfsburg vergangenen Herbst.

Der nächste Zig-Millionen-Abgang

Und doch ist der Rechtsfuß noch lange nicht am Plafond angekommen. Geniestreiche wechseln sich mit Phasen der Unsichtbarkeit ab, auch gegen Chelsea verbrachte er 18 Spielminuten ohne Ballkontakt. Da am Transfermarkt längst nicht mehr nur das Gezeigte, sondern viel eher Potenzial eingekauft wird, gab es im Sommer dennoch Interessenten. Premier-League-Aufsteiger Nottingham Forest soll bei seiner großen Einkaufstour angeklopft haben, As brachte Okafor gar mit Real Madrid in Verbindung.

Stark anzunehmen, dass auch im Winter die eine oder andere Anfrage für den schüchternen Flügelspieler kommt. Ob diese dann noch Freund entgegennimmt, scheint unsicher. Mehrere Insider haben berichtet, dass der 45-Jährige der Favorit für den Sportdirektorenposten bei Chelsea sei. "Wir haben uns immer wieder über Fußball ausgetauscht, aber sonst ist da nicht viel mehr dran", sagte er zu Servus TV, auch bei Sky vermied er ein klares Bekenntnis: "Chelsea ist gerade ein riesiger Verein im Umbruch. Was die nächsten Wochen und Monate passiert, kann ich nicht genau sagen." (APA, 15.9.2022)