Jungbauernobmann Dominik Traxl (ÖVP)

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Da seufzte selbst die sonst so zurückhaltende Verfahrensrichterin Christa Edwards: Martin Malaun, Landesgeschäftsführer der Tiroler ÖVP, stieß im U-Ausschuss zu fast jeder Frage an ihn eine Debatte an, unterstützt vom auf den Tisch klopfenden ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger und seinen Kollegen. Für die Volkspartei war es wieder ein Kampftag im U-Ausschuss. "Wir werden jede einzelne Frage in jedem Punkt hier bekämpfen", sagte der ÖVP-Abgeordnete Christian Stocker.

Dementsprechend zäh gestalteten sich dann die Befragungen, obwohl es eigentlich vieles aufzuklären galt. So verwirrt die Organisationsform der Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend seit Tagen die Politik; sie will ja einerseits Jugendsektion des ÖVP-Bauernbunds sein, andererseits zur Landwirtschaftskammer gehören und durch Letzteres Anspruch auf Corona-Hilfen haben, die nicht an Parteiorganisationen gehen dürfen.

Für die ÖVP geht sich das offenbar genauso aus wie viele andere Fragwürdigkeiten. "Was meinen Sie mit dem Tiroler Seniorenbund – den Verein Seniorenbund oder die Teilorganisation Seniorenbund?", fragte Malaun etwa die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper, als die auf Geldflüsse aus dem NPO-Fonds für Vereine an die ÖVP-nahen Organisationen zu sprechen kam.

Unabhängige Ortsvereine

Das setzte sich auch bei der zweiten Auskunftsperson, dem Tiroler Landeshauptmann-Stellvertreter und Bauernbund-Obmann Josef Geisler, fort. Schon die Frage, wie der Bauernbund zur ÖVP stehe, wurde von Hanger mit einer Geschäftsordnungsdebatte abgeblockt.

Geisler gab dann an, dass die Tiroler Jungbauernschaft schon die Jugendsektion des Bauernbunds sei; die Ortsorganisationen, die Corona-Hilfen bekamen, aber eben nicht zu der ÖVP-Teilorganisation gehörten. Das quittierte die FPÖ mit der Ankündigung, eine Anzeige wegen falscher Zeugenaussage zu überlegen. In die Antragstellung sei Geisler jedenfalls nicht involviert gewesen.

Dennoch wird zusehends klarer, warum so viele Organisationen im Umfeld der ÖVP Corona-Hilfen beantragt haben. Die Bundesorganisation des Seniorenbunds fragte etwa bei der Austria Wirtschaftsservice GmbH (AWS), der Abwicklungsstelle für den NPO-Fonds, direkt nach, ob "ein Dachverein für seine Ortsgruppen, die allesamt selbstständige Vereine sind, aus Servicegründen die Anträge von einem Account stellen kann".

Die Jungbauernschaft/Landjugend nahm wiederum die Dienste einer Steuerberatungskanzlei in Anspruch, die sich über Beteiligungsgesellschaften unter anderem im Besitz der "Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs" befindet. An Ortsorganisationen wurde per Rundmail ausgeschickt, dass man sich mit Fragen zum NPO-Fonds dorthin wenden könne.

Der Tiroler Jungbauern-Obmann Dominik Traxl, der als dritte Auskunftsperson geladen war, gab sich ebenfalls recht unwissend. Er sei jedenfalls davon ausgegangen, "dass Infos der Landjugend Österreich" stimmen; dass die Orts- und Bezirksorganisationen in Tirol mehr als 800.000 Euro erhalten hatten, habe er aus den Medien erfahren.

Ob man mit 18 Jahren automatisch Bauernbund-Mitglied werde? Er "persönlich" sei der Auffassung "dass das nicht so" sei. Wohin die Inserateneinnahmen flossen? Das wisse er nicht.

Widersprüche

Für Opposition und Grüne ist die Argumentationslinie der ÖVP deshalb zumindest widersprüchlich: Einerseits verweisen die ÖVP-nahen Organisationen auf die Unabhängigkeit der Ortsorganisationen; hinter den Kulissen kümmert sich aber die jeweilige Bundesorganisation um die Beantragung beim NPO-Fonds.

Einheitlich ist das alles nicht, in Vorarlberg konnten die Jungbauern etwa ihre Corona-Hilfen behalten. Ob man in Tirol zurückzahlt, will man dort noch prüfen. Allerdings zauberte die Opposition während der Sitzung ein brisantes Papier aus dem Hut: Notizen zu einer innerparteilichen Besprechung bei der ÖVP. Der Anwalt und Abgeordnete Klaus Fürlinger soll dort das "Ausreißer"-Verhältnis der Jungbauern zur ÖVP thematisiert haben – und darauf hingewiesen haben, dass die Jungbauern "als nahestehende Organisation einer politischen Partei angesehen werden kann", weil Jungbauernschaftsmitglieder automatisch Bauernbund- und somit ÖVP-Mitglieder würden. Die ÖVP zweifelte die Authentizität des Papiers an.

Aufregung gab es außerdem um ein Facebook-Posting, das Traxl mit "Gefällt mir" markiert hatte: Darin wurde von einem erbosten Mitglied der Landjugend auf die "indisch-koreanische Herkunft" des Neos-Abgeordneten Yannick Shetty verwiesen, dem "Hirn fehle". Shetty hatte tags zuvor die Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend für ihren Bezug von Corona-Hilfen stark kritisiert.

Nicht ganz so tief, aber doch heftig waren dann auch die Scharmützel im U-Ausschuss. Dort hatte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) diese Woche auf den Vorsitz verzichtet, statt ihm waren Selma Yildirim (SPÖ) und Dagmar Belakowitsch (FPÖ) an der Reihe – beiden warf die ÖVP eine parteiische Vorsitzführung vor.

Die Opposition sprach hingegen von einem "Beuteschema" der ÖVP, sich bei Inseraten und Corona-Hilfen zu bedienen (Krainer, SPÖ), oder vom "Abgreifen von Förderungen" (Christian Hafenecker, FPÖ). Und der Koalitionspartner? Für den betreibt die ÖVP einen "unlauteren Wettbewerb", wie Nina Tomaselli wissen ließ. (Fabian Schmid, Renate Graber, 15.9.2022)