Gustav Klimts Porträt von Mäda Primavesi wurde 1938 beschlagnahmt und 1951 restituiert. Diese Geschichte muss das Metropolitan Museum ab jetzt ausschildern.

Foto: Metropolitan Museum of Art

Den Ruf als Weltpolizei wollen sich die USA wohl auch in der Kunstbranche verdienen. Konkret bei Artefakten, die anderen Nationen oder ihren rechtmäßigen Besitzern gestohlen wurden. Bei Antiquitäten, die mutmaßlich aus ihren Herkunftsländern geschmuggelt wurden, legt man – anders als bei in der NS-Zeit entzogenen Kulturgütern – neuerdings besonderen Eifer an den Tag.

Gemessen an den zuletzt bekannt gewordenen Beschlagnahmen kann Colonel Matthew Bogdanos, stellvertretender Bezirksstaatsanwalt in Manhattan, Erfolge vorweisen. Der ehemalige Marinesoldat gründete 2010 die Antiquities Trafficking Unit, die zu illegalem Handel mit Kulturgütern ermittelt.

Strengere Anforderungen angekündigt

So geriet auch das Metropolitan Museum of Art in New York in sein Visier. Im Zeitraffer betrachtet drücken sich dort Bundesagenten mittlerweile die Türklinke in die Hand. Seit 2017 kam es zu neun Beschlagnahmen, sechs davon fanden allein im vergangenen Jahr statt. Jene von heuer sind in dieser Kalkulation noch gar nicht berücksichtigt. Betroffen sind Antiken, die teils schon vor Jahrzehnten über Ankäufe oder Schenkungen in den Bestand des Museums kamen. Den Angaben der Ermittler zufolge waren die Objekte zuvor illegal aus den Herkunftsländern geschmuggelt oder dort geplündert worden.

Die an Umfang und Wert bislang größte Sicherstellung fand Mitte Juli dieses Jahres statt. Betroffen davon waren 21 Antiken im Wert von elf Millionen Dollar, die demnächst an Italien zurückgegeben werden. Das Museum kooperiere vollumfänglich mit den Behörden, wie es heißt. Zeitgleich kündigte man strengere Anforderungen zur Überprüfung der Echtheit der Dokumentation der Objekte und eine Verschärfung interner Richtlinien für die Provenienzforschung an.

Unter welchen Umständen und zu welchem Zeitpunkt die illegalen Transaktionen stattfanden und wer darin involviert war, bleibt dabei meist im Dunkeln. Oft scheint eine legale Verbringung aufgrund des Verbots von Ex porten aus einzelnen Ländern ausgeschlossen.

Retouren in Windeseile

Die Windeseile, mit der Objekte deshalb in New York zuletzt beschlagnahmt und an die Herkunftsländer retourniert werden, überrascht. Denn teils sind die Ermittlungen zu den Fällen noch gar nicht abgeschlossen. Ein Ende ist derzeit nicht in Sicht, im Gegenteil: Matthew Bogdanos, Spitzname "Pitbull", hat weitere Beschlagnahmungen angekündigt.

So offenkundig der Tatendrang an dieser Front ist, an einer anderen erlahmte er über die Jahre. Wenn sich die Washingtoner Erklärung von 1998 kommendes Jahr zum 25. Mal jährt, dann werden sich die USA in puncto Umsetzung nicht zu den Musterschülern zählen können. Die von 44 Staaten unterzeichnete Verpflichtung, Kulturgut, das während der Zeit des Nationalsozialismus beschlagnahmt wurde, ausfindig zu machen, die rechtmäßigen Eigentümer oder deren Erben zu finden und rasch Schritte zu setzen, um zu "fairen und gerechten Lösungen" zu gelangen, war rechtlich nie bindend.

Wiewohl man bis heute nicht müde wird, Versäumnisse in Europa bei passender Gelegenheit einzumahnen, widmeten sich die eigenen Museen nur sehr zögerlich der Provenienzforschung und der Klärung strittiger Fälle. Die Bilanz ist insgesamt dürftig: Sieht man von einigen wenigen Vergleichen mit bekannten Museen wie dem Museum of Modern Art oder dem Guggenheim Museum ab, blieben Restitutionen die Ausnahme.

Geschichte transparent machen

Einige Erben klagten New Yorker Museen erfolglos auf Rückgabe. Etwa auch die Nachfahren von Paul und Alice Leffmann, die 1938 ein Gemälde von Pablo Picasso verkaufen mussten, um ihre Flucht zu finanzieren: Der Schauspieler datiert von 1904/05 und war 1952 über eine Schenkung in den Bestand des Museums gekommen. Dort hängt das Bild, das etwa 100 Millionen Dollar wert ist, bis heute.

Einem Mitte August verabschiedeten Gesetz zufolge müssen New Yorker Museen nun bei Kunstwerken, die in der NS-Zeit enteignet wurden, diese Geschichte auf einem Schild oder Ähnlichem transparent machen. Selbst dann, wenn das Bild längst restituiert wurde.

Der Wortlaut der Regelung ("soweit dies möglich ist") lässt eine Umgehung zu, ist Jennifer Kreder, Rechtsprofessorin an der Northern Kentucky University, überzeugt. So könnte man sich auf fehlende Ressourcen zur Recherche der Provenienzen berufen. Oder das Objekt wird einfach ins Depot verbannt.

Fehlende Durchsetzungsbestimmung

Denn eine Durchsetzungsbestimmung fehlt. Hinzu kommt die verfassungsrechtlich verankerte freie Meinungsäußerung. In der Umkehr könne die Regierung "Museen nicht zwingen, eine Botschaft zu vermitteln", so die Juristin, die minimale Auswirkungen des Gesetzes prognostiziert. Wozu dann überhaupt? Symbolik, ist Kreder überzeugt.

Denn selbst die vom NS-Regime erzwungenen Transaktionen liefern Raum für Interpretationen. Im Metropolitan Museum fallen 52 Kunstwerke unter die neue Kennzeichnungspflicht, wie auf STANDARD-Anfrage zu erfahren war. Dazu gehört Gustav Klimts Porträt Mäda Primavesi, das 1938 von NS-Behörden beschlagnahmt und 1951 restituiert wurde.

Die Vita von Picassos Schauspieler wird dagegen nicht öffentlich gemacht. Warum? Laut dem Gerichtsurteil sei das Gemälde nicht zwangsweise verkauft worden – "ein allgemeiner Angstzustand aufgrund politischer Umstände" begründe noch keinen Zwang, argumentierte der Richter 2018. (Olga Kronsteiner, 16.9.2022)