Es gab so gut wie keine Teilzeitjobs. Arbeitszeiten abseits von Vollzeit waren ein Fremdwort. Nach einer Kinderpause wieder ins Erwerbsleben einsteigen zu können war für Frauen außerordentlich schwer, wenn nicht unmöglich. Vor 150 Jahren? Nein, vor 30 Jahren, als Manuela Vollmann gemeinsam mit einigen anderen engagierten Frauen und mit Förderung des Arbeitsmarktservice einen experimentellen arbeitsmarktpolitischen Verein in Wien-Meidling in die Welt brachte.

1992 gründete Manuela Vollmann mit weiteren engagierten Mitstreiterinnen den Verein abz Austria, um Frauen den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern.
Foto: ABZ*AUSTRIA

Die Idee: Frauen sollten nach der "Karenz" – durchschnittlich waren sie damals zwölf Jahre zu Hause – Vollzeit wieder einsteigen. Angestellt im Verein und für zwei Monate von Kooperationsunternehmen übernommen und bezahlt, um wieder "reinzukommen". Dazwischen gab es inhaltliches und persönliches Empowerment beim Verein zwecks Arbeitsmarktfitness. Zunächst waren das Jobs im Sekretariat und in der Administration. Dann, mit dem Fall des Eisernen Vorhangs, folgten zugewanderte Frauen mit EDV-Hintergrund. Sie waren gefragt, und Kooperationen mit den aufstrebenden Telekomfirmen boomten.

Gestartet haben die Pionierinnen dieser sozialen Innovation mit 18 Frauen und zwölf kooperierenden Unternehmen. Heute hat der Verein abz Austria 200 Mitarbeiterinnen (drei Männer) und bildet, schult und begleitet jährlich tausende Frauen zurück in den ersten Arbeitsmarkt. Die ursprüngliche Idee, Frauen nicht nur in "Kurse" zu stecken, sondern am Arbeitsplatz (wieder) lernen zu lassen, trägt heute den Namen "Workplace-Learning".

STANDARD: Lernen im Job, Workplace-Learning, das war quasi ein prophetisches Konzept ...

Vollmann: Und heute relevanter denn je. Betriebe müssen viel besser unterstützt werden, damit direkt in der Arbeit gelernt werden kann. Sonst steigen die Leute immer wieder aus, Know-how ist nicht aufzubauen und zu halten. Und Junge haben ja sowieso einen enormen Weiterbildungsdrang. Da sollten wir wirklich viel fokussierter ansetzen mit Förderungen. Für viele Frauen ist es auch viel besser, daheim zu sagen: "Ich gehe arbeiten", statt "Ich gehe in den Kurs."

STANDARD: Sie haben im Verein damals die Vollzeitvariante für den Wiedereinstieg gewählt. Da waren Sie nicht so prophetisch, heute wollen ja sehr viele Teilzeit ...

Vollmann: Ja, es gab dafür auch damals nicht nur Applaus. Teilzeit durchgesetzt haben bei uns dann jene begehrten Frauen, die in der Netzwerkadministration und im Datenmanagement arbeiten konnten. Sonst war das nicht möglich.

STANDARD: Junge wollen heute, wenn sie es sich irgendwie leisten können, keine Vollzeit. Gut? Schlecht?

Vollmann: Die vergangenen beiden Jahrzehnte haben gezeigt, dass Teilzeit für Frauen vielfach in die falsche Richtung, in die Falle gegangen ist. Meistens war sie auch der Kinderbetreuung geschuldet. Da steckt ja ein strukturelles Problem dahinter – Stichwort Kinderbetreuung und Ganztagsschulen. Das führt in Altersarmut von Frauen. Wenn jetzt die Jungen Teilzeit ausprobieren, weil sie nicht mit Vollzeit oder gar 60-Stunden-Wochen ihr Leben dem Job widmen wollen, dann ist das so. Das heißt aber für alle unsere Systeme: Wir müssen dringend die Systeme wandeln, es geht sich sonst nicht aus. Das sind Fakten. (Karin Bauer, 19.9.2022)