Energie sparen – so lautet das Gebot der Stunde, im kommenden Herbst und Winter und darüber hinaus. Die stark gestiegenen Energiepreise sowie die Erkenntnis von der nahenden Klimakatastrophe, die inzwischen bei den meisten gesickert ist, lassen gar keine andere Wahl. Das trifft jeden und jede, trifft private Haushalte ebenso wie öffentliche – die in diesen Tagen und Wochen allesamt nach raschen Einsparmöglichkeiten suchen.

Sobald es draußen düsterer ist, werden sich Menschen, die mit Recht Angst um ihre Sicherheit oder vor Unfällen im Halbdunkeln haben, nicht mehr aus dem Haus trauen.
Foto: dpa/Carsten Rehder

Von sinnvollen Plänen wie eingeschränkter Weihnachtsbeleuchtung oder niedrigeren Raumtemperaturen in öffentlichen Gebäuden abgesehen geht es dabei aber mancherorts sozial unausgewogen zu. Erste Ideen, etwa in Gemeinden, zeigen, dass die Erhalter vielfach nach dem Prinzip agieren, energieintensive Leistungen dort zu kappen, wo der zu erwartende Widerstand am geringsten ist. Gruppen, die keine wirtschaftliche Lobby besitzen, drohen auf der Strecke zu bleiben.

Hier kann es zu Kollateralschäden kommen. Wie schon in den vergangenen zwei Wintern, als das Coronavirus zum Schließen vieler öffentlicher Angebote zwang, könnte auch die Energiekrise wieder Kindern und Jugendlichen, älteren Menschen, Frauen und Gruppen, die im öffentlichen Raum gefährdeter sind als andere, am meisten abverlangen. Das aber wäre höchst unfair.

Sparpläne

Denn tatsächlich werden ehrgeizige Sparpläne vielfach bei den Freizeitangeboten gewälzt, bei den vor allem im ländlichen Raum ohnehin nicht üppig vorhandenen Orten nichtgastronomischer Begegnung. Das kommunale Hallenbad mit Sauna ist ein Energie- und Budgetmittelfresser – schließen wir es tageweise oder ganz! Die Beleuchtung von Sporthalle oder Fußballplatz geht jetzt ganz besonders ins Geld – verzichten wir auf sie und bieten abends nach Schule und Arbeit eben keine Kurse an! Nachts sind nur wenige Menschen unterwegs – die Straßenbeleuchtung runterzudrehen schadet da wohl sicher nicht!

Das tut es aber doch – denn sobald es draußen abends bei Öffi-Haltestellen und an Straßenecken düsterer ist als in früheren Wintern, werden sich Menschen, die mit Recht Angst um ihre Sicherheit oder vor Unfällen im Halbdunkeln haben, nicht mehr aus dem Haus trauen. Das können Frauen sein oder ältere Menschen oder behinderte Personen. Die eingesparte Straßenbeleuchtung hätte dann zur Folge, dass die traditionellen Geschlechterrollen und die gesellschaftlichen Hierarchien wieder stärker werden.

Hinzu kommt: Wer kümmert sich daheim um die Kinder, wenn sie in diesem Winter nachmittags nicht auf den Eislaufplatz oder zum Fußballtraining gehen können? Wohl eher wieder die Frauen. So betrachtet hat das Energiesparen das Potenzial, gesellschaftlich zur Corona-Krise 2.0 zu werden – übrigens ohne dass die Pandemie wirklich vorbei ist.

Wo aber liegt der Ausweg aus dem durchaus realen Dilemma hoher Energiekosten bei zugleich klammen Gemeinde- und Betreiberbudgets? Erstens im Mitdenken: Die sozialen Auswirkungen müssen bei allen Energiesparmaßnahmen mit erwogen werden. Und zweitens: Die Betreiberinnen der so wertvollen, aber oft wenig profitablen öffentlichen Freizeiteinrichtungen, vielfach die Gemeinden, brauchen finanzielle Unterstützung. Das kann teuer werden, aber es kann einen Kahlschlag verhindern. (Irene Brickner, 16.9.2022)