Solaranlagen und Windräder: Viele Gemeinden sperren sich gegen den Ausbau.

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Italien will seine Sonnenstunden in Zukunft stärker nutzen: Die Errichtung neuer Solaranlagen ist seit April stark vereinfacht worden. Mit einem neuen Gesetz ermöglicht das Land einen großen Sprung nach vorn für die Photovoltaik (PV): 300 Meter links und rechts von Autobahnen sowie 500 Meter rund um Industriegebiete dürfen Anlagen errichtet werden, ohne langwierige Genehmigungsverfahren durchzumachen. Für Agri-PV-Anlagen – also solche, unter denen Landwirtschaft betrieben wird – sind diese Solargürtel sogar noch breiter gesteckt: Hier gilt ein Radius von bis zu drei Kilometern.

"Das Gesetz gibt dem Ausbau in Italien einen starken Schub", sagt Günter Grabner, CEO des österreichischen Unternehmens PV-Invest mit viel Aktivität in Italien. Grabner ist diese Woche mit einer Wirtschaftsdelegation mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer nach Rom gereist, um die Zusammenarbeit im Bereich der erneuerbaren Energie zu vertiefen.

Das Interesse der Unternehmen ist groß: Italien ist nach Deutschland Österreichs zweitgrößter Handelspartner – und mit Blick auf viele neue Investitionen in Erneuerbare könnte Österreichs südlicher Nachbar noch wichtiger werden. Zusätzlich zu dem neuen Solargürtelgesetz sind es nicht zuletzt die 191 Milliarden Euro, die Italien aus dem Corona-Aufbaufonds der EU erhält, die den Sektor ankurbeln. Mindestens 37 Prozent dieser Mittel müssen in den Klimaschutz fließen, gibt die EU vor. Entsprechend viel Geld wird in die Erneuerbaren gesteckt.

Stolperstein Bürgermeister

In Österreich fallen die Bemühungen um deren Ausbau hingegen weit weniger entschlossen aus: "Für unsere Branche sehr viel wichtiger als die Förderungen sind Genehmigungen", so Grabner – und an denen würden oft Projekte scheitern, weniger an Fragen der Finanzierung. Viele Vorhaben können schlicht wegen fehlender Widmungen nicht realisiert werden. Ein ähnliches Gesetz wie für die Solargürtel in Italien wünscht sich Grabner daher auch für Österreich.

Bislang scheitere der Ausbau am Widerstand der Bundesländer. Davon erzählt auch Daniel Huppmann vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA). "In Tirol, Salzburg und Vorarlberg steht kein einziges Windrad. So werden wir die Energiewende nicht schaffen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Landschaftsschutz und Klimaschutz gegeneinander ausgespielt werden", sagt er. Niederösterreich mit seinem hohen Potenzial bleibe ebenfalls weit hinter den Möglichkeiten zurück. Einzig das Burgenland komme den Ausbauzielen nach.

Gegen den Widerstand half bislang auch nicht das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das das Klimaschutzministerium vergangenes Jahr vorgelegt hatte. Das soll sich jedoch bald ändern: Hat ein Bundesland künftig kein Energieraumplanung vorgelegt, soll keine Widmung mehr erforderlich sein, um eine Anlage zu errichten. Die Energiewende sei schließlich von besonders großem öffentlichem Interesse, erklärte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) im Juni.

Es sei wichtig, dass die EU starke Ziele vorgebe, um den Druck auf die Mitgliedsstaaten aufrechtzuerhalten, sagt Huppmann. "Aber der Stolperstein für den Ausbau sind die Bürgermeister."

Zurück nach Italien. Auch dort gebe es ähnlichen Widerstand der Gemeinden gegen den Ausbau, erklärt Philipp Colleselli, der PV-Invest in Italien leitet. "Aber mit der neuen Solargürtelregelung gibt es jetzt klare Vorgaben, an die sich alle halten müssen."

Grundstückspreise steigen

Das Solargürtelgesetz zeigt bereits Wirkung: Die Grundstückspreise in den neu ausgewiesenen Solargürteln steigen. Sie haben sich seit Verabschiedung des Gesetzes ungefähr verdreifacht, weil Erneuerbare-Unternehmen Interesse an den Flächen haben. "Sie sind das erste Puzzleteil bei der Entwicklung eines PV-Projekts. Hier zeigt sich die Nachfrageentwicklung zuerst", erklärt Colleselli. Er hofft auch auf eine dezentralere Energieversorgung infolge der Solargürtel. Diese würde nämlich ermöglichen, dass kleinere Marktteilnehmer Anlagen errichten.

Aber auch aus Sicht großer Energieunternehmen ergibt die Vereinfachung der Genehmigungen Sinn, sagt Salvatore Bernabei, Direktor von Enel Green Power, einem Tochterunternehmen des italienischen Energieriesen Enel. Er gilt als weltweit größter privater Betreiber erneuerbarer Energien.

"Das neue Gesetz gibt eine Möglichkeit, Platz zu nutzen, für den es keine andere Verwendung gibt", so Bernabei. Insgesamt brauche es aber sehr viel mehr Flächen für PV-Anlagen als jene in den Solargürteln. Auch in Italien ist der Streit darüber, welche Flächen genutzt werden sollen, also keineswegs beigelegt. Bernabei erwartet jedoch, dass die Energiekrise dem Ausbau jetzt Nachdruck verleihen wird. "Jetzt verstehen endlich alle, wie wichtig es ist, dass wir uns unabhängig machen von fossilen Brennstoffen." (Alicia Prager aus Rom, 16.9.2022)