Wer zum Sarg der Queen will, muss sich stundenlang anstellen.

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London – Auf der letzten Etappe seiner Trauerreise durch die vier Landesteile des Vereinigten Königreichs ist Charles III. am Freitag nach Wales gekommen. Der neue König und Königsgemahlin Camilla besuchten in der walisischen Hauptstadt Cardiff zunächst einen Gottesdienst zum Gedenken an seine verstorbene Mutter, Queen Elizabeth II. Im Anschluss war unter anderem ein Treffen mit dem walisischen Regierungschef Mark Drakeford und Parlamentspräsidentin Elin Jones geplant.

Proteste gegen Monarchie in Cardiff

"In den ganzen Jahren ihrer Regentschaft könnte Wales ihr nicht mehr am Herzen gelegen haben", sagte Charles in einer Rede vor der als Senedd bezeichneten Kammer. Im Regionalparlament sprach er abwechselnd auf Englisch und Walisisch, einer keltischen Sprache, die noch in weiten Teilen von Wales gesprochen wird.

König Charles III. in Cardiff.
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Bei dem Wales-Besuch wurde das Königspaar erstmals seit dem Tod der Queen mit größeren Protesten gegen die Monarchie konfrontiert. Monarchiegegnerinnen und -gegner protestierten schweigend. Sie hielten Schilder mit Aufschriften wie "Schafft die Monarchie ab", "Bürger statt Untertan" oder "Demokratie jetzt" hoch.

In London standen unterdessen unzählige Menschen stundenlang Schlange, um am Sarg von Elizabeth II. Abschied von der Königin zu nehmen. Gleichzeitig intensivieren sich in der britischen Hauptstadt die Vorbereitungen auf das Staatsbegräbnis.

Proteste gegen die Monarchie.
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Vorbereitungen auf Staatsbegräbnis

Am frühen Freitagmorgen probten Soldaten für die Prozession am Montag. Dann soll der Sarg der Queen von der Westminster Hall des britischen Parlaments in die nahe Westminster Abbey gebracht werden. Wie die BBC berichtete, wurden etwa 300 Regierungsbeamte von ihren Jobs abgezogen, um bei den Planungen für das historische Ereignis zu helfen.

Der Sarg der Queen in der Westminster Hall.
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Hunderte Monarchen, Staats- und Regierungschefs werden am Montag in London erwartet. Unter den vielen Gästen wird auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen sein.

Die größte Herausforderung besteht darin, die Teilnehmer pünktlich zur Trauerzeremonie zu bringen. Wie die BBC und das Onlineportal "Politico" berichteten, sollen deshalb auch die ranghöchsten Gäste wie der japanische Kaiser Naruhito, dessen Besuch als besondere Ehre gilt, sowie europäische Monarchen und auch Staats- und Regierungschefs von einem geheimen Treffpunkt aus mit Bussen zur Westminster Abbey gefahren werden. Demnach soll es nur wenige Ausnahmen geben, etwa für US-Präsident Joe Biden und den israelischen Präsidenten Izchak Herzog.

Video: London rüstet sich für Trauerfeierlichkeiten
DER STANDARD

Nach dem Gottesdienst in der Westminster Abbey wird der Sarg in einer Prozession zum Wellington Arch gebracht, die Route führt vom Parlament über die Prachtstraße The Mall und am Buckingham-Palast sowie dem Green Park vorbei. Eine solche Zeremonie habe es in Großbritannien seit dem Tod von Winston Churchill 1965 nicht mehr gegeben, berichtete die BBC.

Größter Einsatz in der Geschichte der Londoner Polizei

Die Trauerfeierlichkeiten haben den größten Einsatz in der Geschichte der Londoner Polizei ausgelöst. Wie ein Sprecher der Metropolitan Police der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge am Freitag sagte, übertrifft der Aufwand zur Queen-Trauer sowohl deren 70. Jubiläum auf dem Thron in diesem Jahr als auch die Olympischen Spiele 2012. Bei dem Sportereignis waren täglich 10.000 Beamte im Einsatz. Eine genaue Zahl über den Umfang des Einsatzes nannte der Sprecher jedoch nicht.

Elizabeth II. war am Donnerstag voriger Woche im Alter von 96 Jahren auf ihrem schottischen Landsitz Schloss Balmoral gestorben. Am Sonntag wurde ihr Sarg in die schottische Hauptstadt Edinburgh gebracht, am Dienstagabend dann nach London. Dort geleitete ihn die engste Familie um Charles am Mittwochnachmittag in einer feierlichen Prozession vom Buckingham-Palast zum Parlament.

Warteschlangen in London

Etliche Schaulustige standen auch in der Nacht auf Freitag entlang der Themse an, um den aufgebahrten Sarg der Queen zu sehen. Am späten Vormittag wurde der Zugang zur Warteschlange wegen des großen Andrangs vorläufig geschlossen. Der Londoner Southwark Park an der Themse, wo der Wartebereich beginnt, habe seine Kapazitätsgrenze erreicht. Dennoch machten sich zahlreiche Menschen auf den Weg zum Southwark Park, wo sich schnell eine inoffizielle Warteschlange für die eigentliche Schlange bildete – "eine Queue für die Queue", wie britische Medien berichteten.

Nach mehr als sieben Stunden ist der Zugang zur Warteschlange am Freitagabend wieder geöffnet worden. Die geschätzte Wartezeit betrage mehr als 24 Stunden, teilte das Kulturministerium mit. Zugleich warnte die Behörde vor Kälte in der Nacht.

Auch Fußballlegende David Beckham stellte sich stundenlang an.
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Mindestens 435 Menschen wurden an den ersten Tagen der Warteschlange medizinisch betreut. Wie der Londoner Rettungsdienst am Freitag mitteilte, wurden am Mittwoch und Donnerstag insgesamt 42 Trauernde, die darauf warteten, zu dem im Parlament aufgebahrten Sarg vorgelassen zu werden, in Kliniken gebracht. Demnach erlitten die meisten Patienten aufgrund des langen Stehens Kreislaufzusammenbrüche, das habe zu Kopfverletzungen geführt, berichtete der Sender Sky News.

Royale Totenwache

Am Freitagabend haben Charles III. und seine Geschwister eine Totenwache am Sarg abgehalten. Der König, Prinzessin Anne (72), Prinz Andrew (62) und Prinz Edward (58) positionierten sich – in Uniform – um den Sarg herum, legten die Hände ineinander und senkten den Blick. Viele Mitglieder der Royal Family wohnten der Totenwache von einem Podest am Rande der Westminster Hall im Parlament bei, wo der Sarg seit Mittwochabend aufgebahrt ist.

Die Totenwache ist Berichten zufolge die einzige Gelegenheit bei den Trauerfeierlichkeiten, bei der Prinz Andrew eine Uniform tragen darf. Die Queen hatte ihrem zweitältesten Sohn Anfang des Jahres wegen seiner Verwicklung in den Missbrauchsskandal um den gestorbenen US-Multimillionär Jeffrey Epstein alle militärischen Dienstgrade aberkannt.

Auf dem Weg zur Totenwache.
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Die Reise nach Wales war für Charles III. der letzte Teil einer Tour, die er nach dem Tod seiner Mutter durch die vier Landesteile – England, Wales, Schottland und Nordirland – angetreten hatte. Bevor er König wurde, trug er den Titel Prinz von Wales. Nun hat sein Sohn William diesen übernommen; dessen Frau Kate ist jetzt Prinzessin von Wales.

Königsgemahlin Camilla absolviert ihre Termine Medienberichten zufolge mit gebrochenem Zeh. Die Zeitung "Daily Telegraph" zitierte eine dem Königshaus nahe stehende Quelle mit den Worten: "Das war, gelinde gesagt, ein unglückliches Timing, aber sie hat es absolut tapfer gemeistert." (APA, red, 16.9.2022)