Der kirgisische Präsident Sadyr Dschaparow (dritter von links) und der tadschikische Präsident Emomali Rachmon (zweiter von rechts) nehmen beide aktuell an einem Gipfel in Usbekistan teil.

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Bischkek/Duschanbe – Die schweren Kämpfe im Grenzstreit zwischen Kirgistan und Tadschikistan in Zentralasien spitzen sich zu. Beide Länder haben einander am Samstag erneut militärische Angriffe vorgeworfen. Trotz einer in Samstagfrüh in Kraft getretenen Feuerpause, habe die tadschikische Armee viermal auf kirgisische Grenzposten geschossen, erklärte der kirgisische Grenzschutz am Samstag. Der tadschikische Grenzschutz warf seinerseits der kirgisischen Seite vor, Schüsse auf Grenzposten abgegeben zu haben.

Die tadschikischen Grenzeinheiten erklärten am Samstagmorgen zudem, sie hätten die "Verlegung von Verstärkungen und zusätzlichen Waffen" durch die kirgisische Armee beobachtet. Insgesamt sei die Lage an der Grenze aber "relativ stabil".

24 Tote und 103 Verletzte

Auf kirgisischer Seite gebe es sowohl unter Soldaten als auch unter Zivilisten Todesopfer, hieß es am Freitag aus dem nationalen Sicherheitsrat in Bischkek. Das Gesundheitsministerium von Kirgistan sprach von 24 Toten und 103 Verletzten.

Später am Abend wollte das kirgisische Parlament zu einer Krisensitzung zusammenkommen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass das Land den Kriegszustand verhänge, sagte der Abgeordnete Dastan Bekeschew.

Aus der grenznahen kirgisischen Region Batken wurden Behördenangaben zufolge 136.000 Menschen in Sicherheit gebracht. Sowohl das autoritär geführte Tadschikistan als auch Kirgistan, das trotz Rückschritten als vergleichsweise demokratisch gilt, berichteten über anhaltende Gefechte. Infolge der seit Tagen andauernden Schusswechsel seien mittlerweile 18.500 Menschen aus der Region geflohen, berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf das Rote Kreuz.

Jahrelanger Konflikt

Im Grenzgebiet beider ehemaliger Sowjetrepubliken kommt es seit Jahren immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Die jüngsten Gefechte ereigneten sich während eines internationalen Gipfeltreffens im Nachbarland Usbekistan. An dem Treffen nahmen neben den Präsidenten Russlands und Chinas, Wladimir Putin und Xi Jinping, auch die Staatschefs von Kirgisistan und Tadschikistan teil. Russland ist mit beiden Staaten verbündet und hatte sie zu einer Waffenruhe aufgefordert. Die beiden zentralasiatischen Länder grenzen nicht an Russland, im Osten jedoch an China.

Am Rande des Gipfels in Usbekistan hätten der kirgisische Präsident Sadyr Dschaparow und der tadschikische Staatschef Emomali Rachmon am Freitag eine Waffenruhe vereinbart, teilte das kirgisische Präsidialamt mit. Diese sollte kirgisischen Angaben zufolge um 16 Uhr Ortszeit (12 Uhr MESZ) in Kraft treten und einen beiderseitigen Truppenrückzug umfassen. Tadschikistan hatte diese zuvor Angaben bestätigt.

Für Russland kommt das Wiederaufflammen des Konflikts zwischen Kirgisistan und Tadschikistan ebenso zur Unzeit wie der neuerliche Gewaltausbruch zwischen Armenien und Aserbaidschan mit zahlreichen Toten. Russland zählt diese vier ehemaligen Sowjetrepubliken ebenso zu seinem Einflussbereich wie unter anderem auch die Ukraine. Dort ist die Aufmerksamkeit der russischen Regierung besonders stark gebunden, seit russische Truppen in dem im Februar begonnenen Angriffskrieg zuletzt schwere Rückschläge hinnehmen mussten. (APA, red, 16.9.2022)