Naomi Watts in "Goodnight Mommy" auf Amazon.

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Wien/Hollywood/Seattle – Der österreichische Horrorfilm "Ich seh Ich seh" von Veronika Franz und Severin Fiala hat 2014 nicht nur bei seiner Weltpremiere in Venedig viel Beifall erhalten, sondern wurde in der Folge auch von Auszeichnung zu Auszeichnung gereicht – inklusive Nominierung für den Auslandsoscar. Ab Freitag ist nun das US-Remake bei Amazon Prime Video abrufbar, doch dieser schale Aufguss macht schnell klar: Besser, man bleibt beim Original.

Die Geschichte ist grundsätzlich dieselbe geblieben: Die Zwillingsbuben Elias und Lukas (Cameron und Nicholas Crovetti) sehen sich in einem stylishen, dabei aber auch ziemlich kalt wirkenden Zuhause mit einer Mutter (Naomi Watts) konfrontiert, deren Gesicht nach einer Schönheitsoperation komplett einbandagiert ist. Nur die Augen und der Mund sind frei, doch das anfangs freundliche Lächeln erstarrt schnell wieder, als die Kinder zusehends abweisend auf die Frau reagieren. Sie trauen ihr nicht, erkennen sie nicht wieder, zweifeln an ihrem Verhalten, an ihren Augen. "Was, wenn sie es nicht ist?", bringt Lukas dieses Unbehagen schließlich auf den Punkt.

Ppsychologischer Kampf zwischen Klein und Groß

Wer "Ich seh Ich seh" gesehen hat, weiß, was sich in der Folge entspinnen wird: Ein psychologisch Kampf zwischen Klein und Groß, wobei die vermeintlich schwächere Position der Kinder schnell ins Gegenteil umzuschlagen scheint. Doch wo Franz und Fiala nicht nur mit vielen Bildern im Zwielicht eine angespannte Atmosphäre erzeugten und vor allem zum Finale hin auch vor heftigen Schockbildern nicht zurückschreckten, setzt Regisseur Matt Sobel die von Drehbuchautor Kyle Warren doch an einigen Stellen veränderte Handlung extrem zaghaft in Szene.

Das beginnt schon bei dem Verhältnis zwischen Mutter und Kindern: Watts tut zwar ihr Möglichstes, bleibt aber in ihrem Spiel hölzern, was zu einigen unfreiwillig komischen Dialogen mit beinahe parodistischen Zügen führt. Die Buben wiederum, die übrigens dieselben Namen wie im Original tragen, sind deutlich zurückhaltender. Statt Superkleber und Kartonmesser (mit entsprechend blutigem Ausgang) tun es hier ein Socken und Klebeband, um endlich an die "Wahrheit" zu gelangen. Über den zwischenzeitlichen Ausreißversuch der Kinder inklusive Aufeinandertreffen mit zwei Polizisten muss man eigentlich kein Wort verlieren, selbst wenn Sobel hier den einzigen wirklichen Schockmoment setzt – und den nur in B-Movie-Qualität.

Zu allem Überfluss traut sich diese hell ausgeleuchtete US-Version, mal abgesehen von der markt- und ortsspezifischen Abwandlung eines zentralen Handlungselements, die finale Auflösung nicht ansatzweise in der Drastik zu, wie es das österreichische Regieduo gewagt hat. Auch wenn das Ergebnis dasselbe ist, wird hier doch die familiäre Harmonie in Ansätzen wieder hergestellt, selbst wenn darauf Tränen und Feuer folgen. Will man beim Blick in den Spiegel oder beim Erklingen eines Gutenachtlieds jedenfalls wieder Grusel verspüren, dann führt kein Weg am heimischen Original vorbei. (APA, 16.9.2022)