Der neue Film "Sparta" von Ulrich Seidl läuft am Sonntag beim Festival in San Sebastián.

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Die kleine österreichische Filmszene gleicht einem Hofstaat. Jahrzehntelang gewachsene Strukturen haben Freundschaften, Feindschaften, ökonomische und soziale Abhängigkeiten herausgebildet, die dieser Tage in den Vorwürfen gegen Ulrich Seidl mehr als deutlich zutage treten. Während Freunde und Freundinnen dem Regisseur namentlich zur Seite stehen, darunter langjährige Mitarbeiterinnen sowie Journalisten, die Bücher zum Werk Seidls verfasst haben, wollen die rumänischen Laiendarsteller und Teile der Crew, die die Anschuldigungen vorbringen, anonym bleiben.

In der Filmszene selbst brodelt zwar die Gerüchteküche, doch offen ausgesprochen wird wenig. Vielleicht halten sich manche, die um ihre Arbeit fürchten müssen, mit belastenden Aussagen zurück. Denn Seidl ist einflussreich und renommiert. Er ist außerdem Produzent und Entdecker neuer Talente, etwa der Regisseurin Kurdwin Ayub, der ein interessierter deutscher Koproduzent für ihren neuen Film Mond abgesprungen ist.

Am Sonntagabend wird Sparta das erste Mal öffentlich gezeigt, und zwar in San Sebastián. Wie der umstrittene Film tatsächlich mit dem Thema Pädophilie umgeht, wird sich dann endlich zeigen. Davon abgesehen ist es umso wichtiger, dass die Anschuldigungen gegen die Arbeitsweise Seidls unabhängig geprüft werden. Bis dahin sollten weder diejenigen, die begründete Kritik vorbringen, noch diejenigen, die mit seiner Produktionsfirma arbeiten, vorschnell diskreditiert werden. (Valerie Dirk, 16.9.2022)