Studierende mit Hauptwohnsitz in Wien erhalten derzeit ein Semesterticket für 75 Euro. Alle anderen Studierenden müssen 150 Euro bezahlen.

Foto: Wiener Linien/Helmer

Der Preis ist auch im internationalen Vergleich äußerst attraktiv: Studierende mit Hauptwohnsitz in Wien erhalten derzeit ein Semesterticket für 75 Euro – und das für das gesamte Wiener Öffi-Netz. Die aktuelle Karte gilt von 1. September bis 31. Jänner, also für fünf Monate. Studierende, die keinen Hauptwohnsitz in Wien haben, müssen hingegen mit 150 Euro das Doppelte bezahlen. Diese Preisstaffelung ist nach wie vor gültig.

Weiterhin offen ist, ob der städtische Öffi-Betreiber hier eine Änderung vornehmen wird. Denn die Wiener Linien wurden aufgrund dieser Diskriminierung, die drei Studierende geltend gemacht hatten, rechtskräftig verurteilt. Die Plattform Ticketerstattung.at hatte die Preisdifferenz von 75 Euro sowie 300 Euro pro Karte für die "erlittene persönliche Beeinträchtigung in Zusammenhang mit der Ungleichbehandlung beim Semesterticketerwerb" eingeklagt. Laut der Plattform wurde der Musterklage vollinhaltlich stattgegeben, weshalb den betroffenen Studierenden nun 375 Euro pro Semesterticket zustehen.

Laut Plattform keine Revision beim OGH möglich

Bereits im Dezember 2021 kam es zur erstinstanzlichen Entscheidung für die Kläger. Die Wiener Linien legten dagegen Berufung ein, das Urteil wurde nun aber auch vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien bestätigt. Eine Revision beim Obersten Gerichtshof ist laut der Plattform demnach nicht mehr möglich.

Vorerst gilt das Urteil laut den Wiener Linien nur für drei Studierende, die hinter der Klage stehen. Potenziell Betroffene, die ebenfalls 150 Euro für das Semesterticket zahlen mussten, gibt es aber viel mehr: Wie viele, wollten die Wiener Linien auf aktuelle STANDARD-Anfrage vorerst nicht bekanntgeben.

Im Herbst 2021 – so die letzten Zahlen, die dem STANDARD im Vorjahr genannt wurden – waren bis inklusive September rund 65.300 Semestertickets verkauft worden. Etwa ein Drittel davon, konkret 19.900 Karten, wurde von Studierenden mit einem Hauptwohnsitz außerhalb Wiens gekauft: Sie mussten 150 Euro dafür bezahlen. Laut Ticketerstattung.at, hinter der die Scrimber IT-Service GmbH mit Geschäftsführer Constantin Gulner steht, kann die Rückforderung für bis zu sechs Semester (bis zum Sommersemester 2019) geltend gemacht werden.

Alleine bis Donnerstagmittag, als sich mehr als 3.000 Studierende dem Sammelverfahren angeschlossen hatten, rechnete die Plattform mit Rückforderungen in Höhe von mehr als vier Millionen Euro.

Mehr als 7.700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Mit Stand Freitag, 11 Uhr, haben sich laut der Plattform-Homepage aber bereits mehr als 7.700 Personen dem Sammelverfahren angeschlossen. Für die Durchsetzung der Ansprüche wären hier aber eigene Verfahren zu führen, die nichts mit dem aktuellen rechtskräftigen Urteil zu tun haben. Die Teilnahme am Sammelverfahren ist ohne Prozesskostenrisiko weiterhin möglich.

Im Erfolgsfall – sollten die Wiener Linien die jeweiligen Ansprüche überweisen – werden 73 Prozent des Betrags an die Studierenden ausbezahlt. 27 Prozent behält sich die Plattform ein – als "Provision für unseren zeitlichen Aufwand und unser finanzielles Risiko".

Wiener Linien wollen weiteres Vorgehen noch prüfen

Bei den Wiener Linien weicht man auf Anfrage, ob es Änderungen beim Semesterticket-Preis für Nichtwiener geben wird, vorerst aus. Aktuell müssen jedenfalls Nichtwiener weiterhin 150 Euro für das Semesterticket zahlen. Das "aktuelle Einzelurteil", das drei Studierende betrifft, werden die Wiener Linien aber selbstverständlich umsetzen, wie es in einer Stellungnahme heißt.

"Zu dieser Thematik gab es in jüngster Vergangenheit jedoch auch Entscheidungen, die unserer Rechtsansicht gefolgt sind und dem nun vorliegenden Urteil inhaltlich entgegenstehen", heißt es von den Wiener Linien. "Nachdem die juristische Bewertung dieser Thematik offenbar nicht eindeutig ist, werden wir das weitere Vorgehen einer eingehenden rechtlichen Prüfung unterziehen."

Grüne wollen Jahresticket für Studierende um 79 Euro

Die Wiener Grünen verlangen nun, dass das "rechtswidrige" sowie "unnötig komplizierte Ticketangebot für Studierende" überarbeitet wird, wie es in einer Aussendung von Jugendsprecher Ömer Öztas heißt. Seine Forderung: "1 Ticket für 1 Jahr für alle Studierenden, und das um nur 79 Euro." (David Krutzler, 16.9.2022)