Ärztinnen und Ärzte müssen sich Bewertungen im Internet gefallen lassen – außer sie sind falsch oder beleidigend.

Foto: imago/Rüdiger Wölk

Es waren nicht nur "persönlich angreifende, unwahre und rufschädigende" Bewertungen, die einer Augenärztin aus Wien sauer aufstießen. Sie störte ganz generell, dass das Gesundheitsportal Docfinder Daten von ihr sammelte und online veröffentlichte. Gemeinsam mit der Wiener Ärztekammer zog sie deshalb gegen das Unternehmen vor Gericht und verlangte die Löschung ihres Profils.

Erfolgreich waren sie damit allerdings nicht, wie aus einer aktuellen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) hervorgeht. Das Höchstgericht wies die Klage ab – und bestätigte damit das Geschäftsmodell der Plattform. Die Bewertungen seien von der Meinungsfreiheit erfasst, eine Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz liege nicht vor (OGH 29.8.2022, 6 Ob 198/21t).

Verstoß gegen Datenschutz?

Docfinder sammelt öffentlich zugängliche Daten von Ärztinnen und Ärzten – etwa Name, Adresse, Fachrichtung und Ordinationszeiten – und erstellt Onlineprofile. Patienten können dann nach geeigneten Praxen in ihrer Umgebung suchen und – wenn sie wollen – Erfahrungsberichte schreiben und die Ärzte in verschiedenen Kategorien mit bis zu fünf Punkten bewerten.

Aus Sicht der Augenärztin ist das jedoch datenschutzrechtlich unzulässig. Zudem sorge die Plattform nicht ausreichend dafür, dass falsche Bewertungen gelöscht werden. Die Kammer schloss sich dieser Kritik an und forderte, dass die Daten aller Ärzte gelöscht werden, die der Verwendung nicht explizit zugestimmt haben.

Von Meinungsfreiheit erfasst

Vor Gericht hatten die Augenärztin und die Wiener Ärztekammer aber keinen Erfolg. Schon das Landesgericht Wien wies die Klage ab, der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung nun in letzter Instanz.

Die Verarbeitung von Daten sei zwar nur dann erlaubt, wenn ein "berechtigtes Interesse" daran bestehe und gleichzeitig die Interessen der Betroffenen nicht überwiegen. Diese Voraussetzungen seien hier aber erfüllt: Die Plattform verschaffe der Öffentlichkeit einen "geordneten Überblick darüber, von wem und wo welche ärztlichen Leistungen angeboten werden". Docfinder vermittle einen "Einblick in die persönlichen Erfahrungen und subjektive Einschätzungen von Patienten". Beides sei von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Klarnamen nicht zweckmäßig

Nur weil die Möglichkeit missbräuchlicher Bewertungen bestehe, dürfen anonyme Meinungsäußerungen im Internet nicht generell unterbunden werden, heißt es in dem Urteil. Eine Klarnamenpflicht würde aus Sicht der Richterinnen und Richter zudem dazu führen, dass Patientinnen und Patienten weniger Bewertungen abgeben. Plattformen wie Docfinder müssen freilich dafür sorgen, dass Beleidigungen und Falschbehauptungen gelöscht werden. Dem komme die Plattform aber mit einem Meldesystem nach.

Und auch in einem weiteren Punkt bekam Docfinder recht: Die Ärztin hatte vor Gericht beanstandet, dass Kolleginnen und Kollegen, die sich ein Premiumprofil kaufen, auf der Seite besser sichtbar sind. Das sei ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Aus Sicht der Richterinnen und Richter war eine solche Bevorzugung allerdings nicht gegeben.

Weitere Verfahren

In einem weiteren, parallel laufenden Verfahren hatte eine Ärztin kürzlich ihren Namen als Marke schützen lassen und in einem Antrag auf einstweilige Verfügung von Docfinder verlangt, ihn von der Website zu löschen. Auch hier entschied der OGH allerdings, dass seitens des Portal ein berechtigtes Interesse an der Verwendung des Namens besteht.

Erst vergangenen Februar hatte der OGH in einem Verfahren gegen die Lehrerbewertungsapp "Lernsieg" ähnlich entschieden. Die anonyme Bewertungen von Lehrerinnen und Lehrern durch Schüler sei demnach vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. (Jakob Pflügl, 16.9.2022)