Im Gastblog präsentiert die Politikwissenschafterin Carolina Plescia Erkenntnisse zum Thema E-Voting in Österreich.

Wählen ist für Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ein Grundrecht und für Bürgerinnen und Bürger die bei weitem einfachste Möglichkeit, sich an Politik zu beteiligen. In Anbetracht der Bedeutung von Wahlen als Form der politischen Mitsprache erscheint es sinnvoll, die sicherste und modernste Technologie dafür anwenden zu wollen – aber genau das ist nicht der Fall. Wir wählen auf genau dieselbe Weise, wie wir es bereits vor 100 Jahren getan haben.

Dabei gab es durchaus die Vision, dass wir im Jahr 2030 bequem von der Couch aus im Pyjama wählen werden. Davon sind wir jedoch weit entfernt. Nicht einmal die Covid-19-Pandemie – ein gewichtiger Faktor für digitalen Wandel in vielen Bereichen – hat den technologischen Fortschritt bei Wahlen vorangetrieben.

Die Bundeskanzlei und die Kantone der Schweiz arbeiten an der Neugestaltung und Wiedereinführung von E-Voting-Versuchen, obwohl sie sich noch in einer Testphase befinden.
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Österreich ist damit aber nicht allein. In nur etwa 16 Prozent der 178 vom IDEA untersuchten Länder ist die elektronische Stimmabgabe bei politisch verbindlichen nationalen Wahlen erlaubt, wobei in mehreren dieser Länder E-Voting zwar gesetzlich erlaubt, aber noch nicht vollständig umgesetzt ist.

E-Voting: Hindernisse und Vorteile

Dabei könnte E-Voting die Stimmabgabe einfacher machen und bestehende Hindernisse abbauen. Beispielswiese würden Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die sich während einer Wahl im Ausland aufhalten, weniger benachteiligt werden. Warum gibt es also trotzdem so viel Widerstand gegen E-Voting? Die Hauptargumente sind, dass E-Voting das Wahlgeheimnis aufheben und ernsthafte Sicherheitsrisiken wie Hacking, Stimmenkauf und andere Manipulationen bergen würde. Außerdem können elektronische Stimmen im Gegensatz zu physischen Stimmzetteln nicht manuell ausgezählt werden, und die Kosten für die Einrichtung eines sicheren Systems scheinen unerschwinglich hoch zu sein. Zudem gibt es in Österreich, wie in vielen anderen Ländern, derzeit keine geeignete Rechtsgrundlage für E-Voting.

Was denken nun die österreichischen Parteien bezüglich des zukünftigen Wahlmodus? Die Parteien äußern sich selten dazu; generell befürworten ÖVP, SPÖ und Neos jedoch eine verstärkte Nutzung von Online-Wahlen, solange das System sicher ist. FPÖ und Grüne lehnen die Einführung von E-Voting-Systemen strikt ab.

Umfrage in Österreich: Wählen in der Pandemie

Und was denken die Bürgerinnen und Bürger? Das Austrian Corona Panel (ACPP) hat diese gleich mehrmals dazu befragt. Und zwar zu zwei Zeitpunkten, nämlich inmitten der ersten Welle der Pandemie (24. bis 29. April 2020) und ein zweites Mal ein Jahr später (16. bis 23. April 2021). Die Frage lautete: "Sind Sie allgemein dafür oder dagegen, dass Wahlen mittels E-Voting, also durch eine elektronische Stimmabgabe übers Internet durchgeführt werden?"

Die Abbildung zeigt, dass die Präferenzen bezüglich E-Voting im Zeitverlauf im Wesentlichen gleich geblieben sind, wobei eine Mehrheit diesen Modus stark beziehungsweise eher befürwortet, während etwa 40 Prozent der Befragen ihn stark beziehungsweise eher ablehnen. Die ACPP-Daten sind repräsentativ für die österreichische Gesamtbevölkerung in Bezug auf Alter, Geschlecht, Bundesland und Bildungsniveau. Man muss aber berücksichtigen, dass die Daten aus einer Online-Umfrage stammen und die Stichprobe daher vermutlich mehr internetfreundliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer beinhaltet, als dies womöglich im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung der Fall wäre.

Daten von ACPP nicht gewichtet, N=ca. 1.500 Befragte pro Erhebung. "Sind Sie allgemein dafür oder dagegen, dass Wahlen mittels E-Voting, also durch eine elektronische Stimmabgabe übers Internet durchgeführt werden?" Mögliche Antworten sind (1) stark dafür, (2) eher dafür, (3) eher dagegen, (4) stark dagegen und (88) weiß nicht.
Foto: Carolina Plescia

Würden die Bürgerinnen und Bürger denn E-Voting tatsächlich nutzen, wenn es verfügbar wäre? Dazu hat das ACPP Folgendes gefragt: "Angenommen, während einer Pandemie würden Wahlen stattfinden, welche Art der Stimmabgabe würden Sie bevorzugen – in einem Wahllokal, per Briefwahl oder über das Internet mittels E-Voting?" Die Online-Stimmgabe ist dabei die bevorzugte Variante, auch wenn die Zustimmung von 50,1 Prozent im April 2020 auf 40,7 Prozent im April 2021 sinkt. Gleichzeitig steigt die Zustimmung zur Stimmabgabe im Wahllokal von 15,6 Prozent auf 27,6 Prozent. Die Zustimmung zur Briefwahl bleibt relativ stabil.

Als wir im Rahmen eines weiteren Projekts in den USA vor der Pandemie dieselbe Frage stellten, gaben etwas mehr als 51 Prozent der Befragten an, dass sie in einem Wahllokal wählen wollen würden, 29,3 Prozent online und 19,5 Prozent per Post. In Österreich ist die Bevorzugung von E-Voting nicht von einem spezifischen Alter, Geschlecht und/oder dem Bildungsgrad abhängig. Dies scheint auch in Estland der Fall zu sein – einem Land, in dem E-Voting seit 2005 bei nationalen Wahlen eingesetzt wird. In Österreich hängen hingegen die jeweiligen Präferenzen stark mit der Ideologie (konservativere Menschen wollen E-Voting eher nicht nutzen) und dem Infektionsrisiko (eine geringere Risikoeinschätzung für die eigene Gesundheit führt dazu, dass man die Stimmabgabe im Wahllokal der Online-Wahl vorzieht) zusammen.

Daten von ACPP nicht gewichtet, N=ca. 1.500 Befragte pro Erhebung. "Angenommen, während einer Pandemie würden Wahlen stattfinden, welche Art der Stimmabgabe würden Sie bevorzugen – in einem Wahllokal, per Briefwahl oder über das Internet mittels E-Voting?" Mögliche Antworten sind (1) Wahl in einem Wahllokal, (2) Wahl über das Internet mittels E-Voting, (3) Briefwahl und (88) weiß nicht.
Foto: Carolina Plescia

Zurück zu unserer Ausgangsfrage: Sollen beziehungsweise wollen wir unseren Modus der Stimmabgabe ins 21. Jahrhundert verlegen? Es scheint, als ob wir als Gesellschaft grundsätzlich (fast) bereit sind, E-Voting als einen neuen Modus des Wählens anzunehmen und zu akzeptieren. Politisch und sicherheitstechnisch sind wir es jedoch nicht. Die sicherheitstechnischen Fragen werden wir in einer nicht allzu fernen Zukunft lösen können. Ob die politische Dimension jedoch bald gelöst werden kann, ist durchaus zweifelhafter. (Carolina Plescia, 22.9.2022)