Der Impfstoff gegen die Affenpocken ist nach wie vor ein rares Gut.

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Ende Mai war hierzulande der erste Affenpocken-Fall nachgewiesen worden. Seither wurden in Österreich 300 Fälle gemeldet, im Juli hat die WHO den Affenpocken-Ausbruch zur Notlage erklärt. Weil der Impfstoff knapp war, wurden laut Erlass des Ministeriums lange nur betroffene Patienten, Kontaktpersonen und Personal, das in Speziallaboren eng mit dem Virus in Kontakt ist, geimpft. Jetzt werden auch vorsorgliche Impfungen bei Menschen aus der Risikogruppe durchgeführt (DER STANDARD berichtete) – das sind vor allem Männer, die Sex mit wechselnden Partnern haben. Hätte das auch schneller gehen können?

Generell sei der Prozess rund um die Impfungen "sehr zögerlich und schleppend" vorangegangen, findet Horst Schalk. Der Allgemeinmediziner hat seit Ausbruch der Affenpocken in seiner Praxis rund 150, also etwa die Hälfte aller Fälle österreichweit, diagnostiziert. "Nicht einmal wir – die fünf Personen in unserer Schwerpunktpraxis – wurden bisher geimpft", berichtet er.

Mehr Budget für Impfstoffe in anderen Ländern

Zu Beginn, also im Mai und Juni, habe er von den Behörden lange nicht viel gehört: "Das Einzige war die Mitteilung, dass die Affenpocken meldepflichtig sind und wir dementsprechend melden müssen, sodass die Patienten abgesondert werden können." Das Thema sei nicht ernst genug genommen worden, findet er: "Vielleicht, weil es nur eine Minderheit betrifft."

Erst seit Anfang August scheine etwas weiterzugehen. In der Zwischenzeit seien manche seiner Patienten bereits nach Deutschland oder Frankreich gefahren, um sich dort die Impfung zu holen. In Deutschland starteten bereits im Juli die vorsorglichen Impfungen.

Das liegt an einer unterschiedlichen Art der Impfstoffbeschaffung. Eigentlich hatte man sich europaweit auf einen gemeinsamen Beschaffungsprozess geeinigt. Davon profitieren vor allem kleine Länder mit dementsprechend kleineren Budgets wie Österreich, erklärt ein Sprecher aus dem Gesundheitsministerium. Andere Länder, wie etwa Deutschland und Frankreich, haben sich entgegen der solidarischen Impfstoffbeschaffung vorab schon Impfdosen gesichert und konnten mit vorsorglichen Impfungen entsprechend früher starten.

Zahlen sinken

Dass sich die vorsorglichen Impfungen schon jetzt in sinkenden Zahlen niederschlagen, glaubt Horst Schalk aber nicht. Viel eher vermutet er, dass nicht die Zahl der Fälle, sondern nur die Zahl der offiziell gemeldeten Fälle sinkt. Zum Höhepunkt der Infektionswelle hatte Schalk rund 20 Fälle pro Woche diagnostiziert, jetzt sind es um die fünf.

"Es kann sein, dass Patienten aus Angst vor der Absonderung gar nicht mehr zum Arzt gehen", befürchtet Schalk. Aktuell werden Betroffene für die Dauer der symptomatischen Erkrankung – und das sind meist zwischen zwei und vier Wochen – abgesondert. Es sei deshalb zu hinterfragen, ob eine Quarantäne wirklich notwendig ist, weil die Übertragung in nahezu allen Fällen ohnehin nur über sehr engen, sexuellen Kontakt erfolgt. Es hätten nur zwei der 150 Patienten, die Schalk in seiner Praxis diagnostiziert hat, angegeben, dass sie sich nicht über sexuellen Kontakt, sondern über Tröpfcheninfektion bei längeren Gesprächen angesteckt hätten.

Die Erkrankungen verlaufen in der Regel nicht sehr schwer. Die ersten Tage haben Betroffene grippeähnliche Symptome wie Fieber, in der zweiten Phase der Erkrankung folgt ein Hautausschlag mit Pusteln und Bläschen. "Die Erkrankung ist sicherlich unangenehm, aber noch unangenehmer ist für viele wohl die lange Quarantäne", sagt Schalk. (poem, 18.9.2022)