Verschrieben werden in Österreich immer noch spezifische Medikamente und nicht die darin enthaltenen Wirkstoffe. Der Gesundheitsminister möchte das ändern, die Ärztekammer ist dagegen.

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Wien – Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) will die seit rund zwei Jahren diskutierte Wirkstoffverschreibung – statt der Verschreibung eines bestimmten Mittels – nun durchsetzen. Es könne ihm niemand erklären, warum Österreich das einzige EU-Land sei, dass diese Möglichkeit noch nicht habe, hatte er am Donnerstag im Rechnungshofausschuss des Nationalrats gesagt. Eine Verordnung sei bereits in Arbeit. Daraufhin erneuerten am Freitag Ärztekammer und Pharmavertreter ihre Kritik.

Mit den Plänen hatten sich schon Rauchs Amtsvorgänger und Parteikollegen Wolfgang Mückstein und Rudolf Anschober den Ärger der Ärzteschaft zugezogen. Rauch meinte nun laut Parlamentskorrespondenz, die pharmazeutische Industrie und die Ärztekammer seien Bremser, das sei aber "nicht mehr haltbar". In einem Follow-up-Bericht des Rechnungshofs war in Sachen Arzneimittelbeschaffung ebenfalls unter anderem die Möglichkeit von Wirkstoffverschreibungen angeregt worden.

Ärztekammer will Entscheidung nicht Pharmazeuten überlassen

Die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) sprach am Freitag in einer Aussendung in diesem Zusammenhang neuerlich scharf von einer Gefährdung der Patientensicherheit. "Wir werden das bekämpfen, wo immer es geht – im Sinne der Patientensicherheit", betonte ÖÄK-Präsident Johannes Steinhart. "Der Apotheker kann dann abgeben, was er für richtig hält oder was ihm angesichts der Lagerhaltungskosten oder anderer Faktoren, die nichts mit Gesundheit zu tun haben, am besten passt. Das müssen wir kategorisch ablehnen", erläuterte Edgar Wutscher, Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte der ÖÄK.

"Seit langem wird diese Maßnahme immer wieder vorgebracht, wenn es um Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen geht", erinnerte Alexander Herzog, Generalsekretär des Verbands der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig). "Aber man erreicht damit weder, dass das Gesundheitssystem effizienter, noch, dass es sicherer wird", warnte er. Gerade jetzt mit der hohen Inflation würden die pharmazeutischen Unternehmen ohnehin bereits hart dafür kämpfen, die Versorgung mit ihren Produkten weiter aufrechterhalten zu können. Rauch betonte, zur Reduktion von Arzneimittelpreisen eine gemeinsame europäische Beschaffung zumindest im Bereich hochpreisiger Medikamente anzustreben.

Vorerst keine temporäre Kassenvertragspflicht für Ärzte

Im Rechnungshofausschuss gab es auch in Bezug auf die Schaffung eines "Facharzts für Allgemeinmedizin" Fortschritte. Laut Katharina Reich, Chief Medical Officer im Gesundheitsministerium und Leiterin der Ärzteausbildungskommission, soll dazu Anfang nächster Woche ein Bericht abgestimmt und freigegeben werden. Keine Mehrheit konnte Reich zufolge in der Kommission hingegen in Bezug auf Vorschläge erzielt werden, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte im Anschluss an ihre Ausbildung zumindest für ein paar Jahre zur Annahme einer Kassenstelle zu verpflichten, um dem Ärztemangel in manchen Bereichen entgegenzuwirken.

Ein entsprechender Zwang würde die Betroffenen eher vertreiben, gab sie zu bedenken. Laut Gesundheitsminister Rauch gibt es aber ein Bewusstsein bei den involvierten Stellen, dass sich etwas ändern müsse. Ein Festhalten am jetzigen System würde bedeuten, dass die Zahl der Wahlärzte weiter steige und der Kassenbereich weiter ausgedünnt werde, mahnte er. (APA, 16.9.2022)