Als "große Freundschaft" feierten Stalin und Mao Tse-tung das umfassende sowjetisch-chinesische Kooperationsabkommen im Februar 1950, nur wenige Monate nach dem triumphalen Einzug der chinesischen Kommunisten in Peking. Doch schon damals schimpften die beiden KP-Führer insgeheim aufeinander, wie man heute aus Dokumenten weiß, und ließen ihrer Verachtung freien Lauf. Sechs Jahre später brach der Konflikt zwischen den beiden roten Großmächten offen aus – und prägte 30 Jahre lang die Weltpolitik.

Was Wladimir Putin und Xi Jinping tatsächlich voneinander halten, ist nicht bekannt. Die Partnerschaft, die sie am Donnerstag im usbekischen Sarmakand gegenseitig bekräftigten, scheint auf festerem Fundament zu stehen als das Bündnis der 1950er-Jahre. Aber sobald zwischen diesen beiden Staaten von "ewiger Freundschaft" die Rede ist, wie es beim vorigen Treffen zwischen Putin und Xi kurz vor dem Angriff auf die Ukraine der Fall war, gibt es gute Gründe, skeptisch zu sein: Bei zwei Riesenreichen, die auf 4200 Kilometern aneinandergrenzen und auch geschichtlich höchst unterschiedliche Interessen verfolgt haben, sind Konflikte unvermeidbar.

Misstrauische Verbündete: Auf dem Gipfel der Schanghai-Gruppe in Usbekistan waren die Spannungen zwischen Wladimir Putin und Xi Jinping zu spüren.
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Die ersten Spannungen waren persönlich. Mao lehnte es ab, von Stalin als untergeordneter Partner behandelt zu werden. Stalin fürchtete Maos Popularität in der kommunistischen Welt. Aber die gemeinsame Feindschaft zu den USA, die im Koreakrieg ihren Höhepunkt erreichte, schmiedete sie zusammen.

Absage an den Personenkult

Nach dem Tod Stalins ging es bergab. Mao sah sich als wahrer ideologischer Nachfolger, während der neue KPdSU-Generalsekretär Nikita Chruschtschow in seiner Rede auf dem 20. Parteitag der KPdSU dem Personenkult eine Absage erteilte – und damit auch Mao traf. Die katastrophale Wirtschaftspolitik in China, vor allem der "Große Sprung nach vorn" 1958, sorgte in Moskau für Kopfschütteln.

"Aber das eigentliche Problem war, dass in den chinesisch-russischen Beziehungen immer ein drittes Land im Spiel ist, nämlich Amerika", sagt Susanne Weigelin-Schwiedrzik, Professorin für Sinologie an der Universität Wien. Chruschtschow habe die Tauwetterpolitik mit den USA betrieben und Mao die Unterstützung für eine Eroberung Taiwans verweigert. Das habe zum Bruch geführt.

Auch zwischen Stalin und Mao Zedong entstand schon früh eine Rivalität. Nur nach außen versicherten sie sich ihre Freundschaft.
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1960 zog Chruschtschow alle Experten aus China ab. Die aggressive Politik Chinas gegenüber Indien, das mit den Sowjets verbündet war, ärgerte den Kreml. Den Tiefpunkt der Beziehungen markierten 1969 die Kämpfe zwischen sowjetischen und chinesischen Soldaten am Grenzfluss Ussuri.

Die USA als dritter Spieler

Dann kamen die USA wieder ins Spiel, aber anders als erwartet. Erstmals erkannte Washington die Spaltung der kommunistischen Welt als geopolitische Chance. Die Öffnung der USA gegenüber China, die im Besuch von Präsident Richard Nixons im Februar 1972 gipfelte, gilt bis heute als strategischer Coup: Realpolitik überdeckte alle ideologischen Differenzen. Moskau fühlte sich zunehmend eingekreist.

Nach dem US-Abzug aus Vietnam brach zwischen Moskau und Peking ein offener Konflikt in Indochina aus. Im Dezember 1978 marschierte Vietnam, ein sowjetischer Verbündeter, in Kambodscha ein und setzte dem Terrorregime der Roten Khmer, die China als Schutzmacht betrachtet hatten, ein Ende. Deng Xiaoping, Maos De-facto-Nachfolger, der nach Maos Tod die Macht in Peking übernommen hatte, sah darin eine gefährliche Ausweitung der sowjetischen Einflusszone in Chinas Hinterhof.

Kurz darauf marschierten chinesische Truppen in Vietnam ein, zogen sich nach blutigen Kämpfen aber wieder zurück, ohne Vietnam aus Kambodscha vertrieben zu haben. Die USA standen damals aufseiten Chinas und indirekt damit der Roten Khmer. Gemeinsam verurteilten Washington und Peking auch den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan im Dezember 1979.

Verbesserung unter Gorbatschow

Erst unter Michail Gorbatschow verbesserte sich das Verhältnis mit China, vor allem nach dem Truppenabzug aus Afghanistan 1989. Da entstand ein neuer Konfliktstoff: Deng hielt wenig von Gorbatschows Liberalisierung und sah dies als Bedrohung der eigenen Herrschaft. Tatsächlich griff das Protestvirus auf Peking über und wurde am 4. Juni 1989 brutal niedergeschlagen.

Deng Xiaoping hielt wenig vom politischen Liberalisierungskurs von Michail Gorbatschow. Schon während seines Besuchs in Peking im Mai 1989 (Bild) gab es dort Studentenproteste.
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Während Russland im folgenden Jahrzehnt im ökonomischen Chaos versank, verbanden Deng und seine Nachfolger erfolgreich wirtschaftliche Reform und politische Repression. Die USA und die EU sahen China immer mehr als wirtschaftlichen Hoffnungsmarkt, Russland unter Boris Jelzin hingegen als Krisenstaat, der westliche Hilfe benötigt.

Erst mit Putins Amtsantritt im Jahr 2000 kehrte ein Gleichgewicht in die Beziehungen ein. Putin und Chinas Präsident Jiang Zemin trafen sich auf Augenhöhe. 2002 gründeten sie gemeinsam die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), die nun in Sarmakand den Gipfel abhielt. Beide strebten nach Integration in die kapitalistische Weltwirtschaft und kritisierten die Militärinterventionen der USA – vom Kosovo bis zum Irak. Während Chinas Exporte nach dem Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) rasant wuchsen, profitierte Russland von steigenden Öl- und Gaspreisen.

Bald war China der Stärkere

Die Beziehungen intensivierten sich ab 2008, da sich Putin weiter dem Westen entfremdete. Doch mit dem Rückgang der Ölpreise nach der Weltfinanzkrise und dem Wirtschaftsboom zu Hause war China bald der stärkere Partner. In Zentralasien baute es seinen Einfluss mit der Seidenstraßen-Initiative (BRI) aus; Putin konnte den Milliardeninvestitionen wenig entgegenhalten.

Für Weigelin-Schwiedrzik ist die Rolle der USA in den Beziehungen heute wichtiger denn je. "Es ist ein Zweckbündnis", sagt sie. "Beide wollen die von den USA dominierte Weltordnung nicht mehr haben. Russland will China dafür gewinnen, Amerikas Dominanz gemeinsam zu kippen. Aber China ist mit den USA wirtschaftlich extrem verflochten und fürchtet auch wegen eigener Wirtschaftsprobleme zu starke Spannungen." In Peking gebe es einen Richtungsstreit zwischen einer Fraktion, die Putin im Ukraine-Krieg offen unterstützen wolle, und einem wirtschaftsfreundlichen Flügel, der davor zurückschrecke, glaubt Weigelin-Schwiedrzik. Xi Jinping gehöre zu den Hardlinern, "aber er hat eine starke Opposition im Politbüro. Er darf nicht so prorussisch sein, wie er gerne wäre." Das Ergebnis sei seine lauwarme Solidarisierung mit Putin auf dem Gipfel gewesen.

So bedrohlich das Bündnis der Diktatoren aus westlicher Sicht auch wirkt – zur echten Herzenssache dürfte diese Freundschaft noch lange nicht werden. (Eric Frey, 18.9.2022)