In der österreichischen Innenpolitik gibt es ein Personal- und Qualitätsproblem. Das gilt vor allem für die ÖVP, aber eben nicht nur. Auch die anderen Parteien – zunehmend deren Vorfeld- und Jugendorganisationen – klagen über Mangel an Nachwuchs, an vielversprechenden Talenten.

Junge Menschen voller Idealismus wenden sich lieber einer NGO oder konkreten Projekten zu, nicht einer Partei.
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Die praktizierte Politik stößt viele ab. Diese Woche war das in drei Fällen gut nachzuvollziehen. Sie sind Beleg dafür, wie öffentlicher Diskurs und gesellschaftliches Engagement verkommen – in unsachlicher Pose, als zynische Posse oder in der respektlosen Dauerschlammschlacht der Parteien.

Zunächst trat ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner ab, selbstüberschätzt, überfordert, im Abgang patzig. Eine 28-Jährige verglüht, weil sie diskriminierte. Dann wurde sichtbar, wie rasch ein Tiroler Jungbauernverein seine Mitglieder mit Finanzschmähs in Verruf bringen kann. Und dann war da noch der Auftritt von Bundespräsidentschaftskandidat Gerald Grosz in der ZiB 2. Der frönt einer Art von politischem Nihilismus: nur noch Eitelkeit, Sprücheklopferei und Bierzeltgaudi.

Es fehlt gerade sehr an Anstand und Verantwortlichkeit, am Willen zur ernsthaften und fairen Auseinandersetzung. Kein Wunder, wenn immer weniger Bürger, die etwas können, einen guten Ruf haben, nicht bereit sind, sich zu engagieren, an Politik "auch nur anzustreifen". Das ist jungen Menschen voller Idealismus nicht zu verübeln. Sie wenden sich lieber einer NGO oder konkreten Projekten zu, nicht einer Partei. (Thomas Mayer, 16.9.2022)