Jeder für sich und alle gemeinsam: die dreiköpfige Crew aus "Rubikon".

Wenig ist neu in der Zukunft, zumindest nicht für echte Connaisseurinnen und Connaisseure des Genres. Auf der Erde manifestieren sich die fatalen Auswirkungen der menschengemachten Klimakatastrophe, die "Multinationalen" haben das Kommando und wetteifern um eine Notlösung. Das alles erfährt man in Leni Lauritschs Science-Fiction-Film Rubikon via Inserts noch vor dem ersten Bild. Die heimische Regisseurin greift in ihrem Langfilmdebüt gleich einmal auf den historischen Fundus umweltkritischer "Space-Operas" zu.

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Wenn man dann im Orbit nahe der Erde die titelgebende Raumstation schweben sieht, mag man an Douglas Trumbulls schwermütigen Klassiker Silent Running (1972) denken, in dem Bruce Dern einst energisch über eine Arche Noah aus letzten Biotopen wachte. Wie Trumbulls Film ist auch der von Lauritsch eine im Feld der Science-Fiction recht günstige Produktion – und überhaupt die erste dieser Art im österreichischen Sci-Fi-Kino, in dem bisher irdische Dystopien wie Florian Flickers Halbe Welt (1986) oder Ratrace (1999) von Valentin Hitz vorherrschend waren.

Überzeugt auch visuell

Die 34-jährige Regisseurin, ein deklarierter Star Trek-Fan, hat sich nun gemeinsam mit dem erfahrenen Produktionsdesigner Johannes Muecke (Moonfall) der Aufgabe gestellt, das Überleben im Weltall als Kammerspiel zu imaginieren. Der in einer Wiener Panzerfabrik gedrehte Film muss sich trotz der eingeschränkten Mittel nicht verstecken, die visuelle Gestaltung überzeugt: Rubikon ist ein von oktogonförmigen Schleusen durchtrenntes Raumgewirr, an den sich die Standardsituationen des Genres wie Legobausteine locker andocken lassen.

Spannungsmomente schaffen durch Dekompression verzögerte Rettungsaktionen oder Reparaturarbeiten an der Außenschale. Doch Lauritsch hat kein actionbetontes Existenzdrama à la Gravity (2013) im Sinn, vielmehr inszeniert sie ein psychologisches Strategiespiel. Innerhalb einer bald auf drei Personen geschrumpften Besatzung verschieben sich unaufhörlich Prioritäten und Handlungsdevisen.

Die Umwelt spielt mit

Das hat einerseits damit zu tun, dass jeder Teil des Trios versteckte Agenden hat. Den neuen Commander Hannah (Julia Franz Richter) schickt der Konzern mit Geheimmission und Chemiker Gavin (George Blagden); der russische Wissenschafter Dimitri (Mark Ivanir) ist schon lange an Bord und hat dort ein eigenes autonomes Ökosystem erschaffen können.

Damit ist man schon beim zweiten gelungenen dramatischen Prinzip des Films. Denn die aus Algen gewonnene Binnenatmosphäre der Station ist "Umwelt" im wortwörtlichen Sinn: Um eine erfolgreiche Photosynthese zu garantieren, muss sich die Crew auch zueinander "richtig" verhalten – das schafft wiederum einen gewissen Zwang zur Koordination und lässt zugleich viel Raum für Spekulation: Warum verfärben sich einzelne Algenfenster in letzter Zeit immer mehr ins Bräunliche?

Die Suspense bleibt in Rubikon ohne große Verwicklungen aufrecht, da sich die Gruppensituation ständig neu justiert. Man muss sich nur auf das gedrosselte Tempo des Films wie auf eine Expedition ins Ungewisse einlassen – schon John Carpenter inszenierte Dark Star (1974) bekanntlich wie Warten auf Godot. Allerdings wirkt nicht jede Wendung plausibel durchdacht, manchmal sind die Figuren nach einschneidenden Erfahrungen allzu schnell wiederhergestellt.

Den dramatischen Überbau behält Lauritsch aber mit originellen Setzungen bis zum Schluss gut im Griff. Die Überlegung, ob das Wohl der Allgemeinheit höher zu stellen sei als das eigene, schließt sogar an ethische Covid-Fragen an. Einfache Lösungen, auch die bleibt die Zukunft schuldig. (Dominik Kamalzadeh, 18.9.2022)