Neu Ausgrabungen vermitteln einen Eindruck vom Leben der ersten Europäer.

Illustr. Esteban de Armas/ Universität Köln

Archäologische Funde in Rumänien vermitteln neue Einblicke in das Leben und die handwerklichen Fähigkeiten der ersten modernen Menschen in Europa. Laut jüngsten Funden hat Homo sapiens bereits vor mindestens 50.000 Jahren erstmals europäischen Boden betreten. Die nun vorgestellten Entdeckungen aus einer Höhle in Romanesti-Dumbravita im Westen Rumäniens dürften etwa 40.000 Jahre alt sein, stammen also noch aus der Frühzeit der Besiedelung Europas.

Pfeil- und Speerspitzen

In Südosteuropa wurden schon in der Vergangenheit viele Fossilien des frühen Homo sapiens gefunden – vermutlich, weil erste Gruppen zuerst über die Balkanhalbinsel auf den Kontinent kamen. Dennoch hält sich auch hier die Anzahl der Funde in Grenzen, vor allem was kulturelle Gegenstände betrifft. Die Artefakte, die in Româneşti bislang gefunden wurden, sind damit ein wichtiges Fenster um nachzuvollziehen, wie die ersten europäischen Homo sapiens in ihrer neuen Umgebung zurechtkamen.

Das Forschungsteam unter der Leitung von Wei Chu von der Universität zu Köln fand zahlreiche Gegenstände die darauf hindeuten, dass in Româneşti hochgradig standardisierte Klingen aus behauenem Stein hergestellt wurden, die vermutlich als Einsätze für Pfeile oder Speere dienten. Außerdem sind anscheinend bestimmte Schleifsteine zum Richten von Holzschäften verwendet worden.

Projektilwerkstatt

Das deutet darauf hin, dass Româneşti eine Art Projektilwerkstatt war. Mikroskopische Analysen der Oberflächen der Artefakte stützen die im Fachjournal "Nature: Scientific Reports" präsentierten Thesen, denn sie zeigen, dass die meisten von ihnen nie benutzt wurden. Dies deutet darauf hin, dass die Stätte zur Herstellung für Werkzeuge genutzt wurde, die später an einen anderen Ort transportiert wurden.

Româneşti muss ein wichtiger Ort in der Umgebung gewesen sein, denn die Forschenden fanden Tausende von Artefakten, von denen einige aufgrund ihrer geochemischen Zusammensetzung aus über 300 Kilometer Entfernung an den Fundort gebracht worden sein müssen. Auch existieren Belege für die Nutzung von Feuer vor Ort. Das zeigt, dass frühe Homo sapiens in der Gegend immer wieder an diesen Ort zurückkehrten.

Zusammentreffen mit dem Neandertaler

Die neuen Ausgrabungen in Româneşti belegen darüber hinaus, dass sich die Lebensweise des Homo sapiens im Vergleich zum Neandertaler verändert hatte, was seinen Erfolg erklären könnte. "In der Umgebung gefundene Fossilien aus dieser Zeit deuten darauf hin, dass sich Homo sapiens und Neandertaler gekreuzt haben. Wir wissen aber noch nicht, wie sich dadurch ihre jeweilige Lebensweise verändert hat und wie sich das in ihren archäologischen Überresten zeigt", sagte Jacopo Gennai von der Universität Köln. "Der nächste Schritt ist der Versuch, die Beziehung zwischen diesen frühen Homo sapiens und den früheren Neandertalern zu klären." (red, 16.9.2022)