Heinrich Staudinger war Freitagabend bei Martin Thür zu Gast in der "ZiB 2".

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Kann der unkonventionelle, etwas schrullig wirkende Schuhfabrikant Heinrich Staudinger Bundespräsident – wenn er denn in die Verlegenheit käme? Konventionellen Politiker im Fernsehinterview kann er jedenfalls – unangenehme Fragen in der "ZiB 2" lieber nicht zu beantworten.

"Wiewiewiewiewiewie?"

Ein erstes "Wiewiewiewiewiewie?" freilich zeigt noch etwas medialen Trainingsbedarf, wenn man von Martin Thür gefragt wird: Kann einer, der Bundespräsident werden will, Demonstranten gegen Corona-Maßnahmen mit dem Widerstand von Vaclav Havel gegen die kommunistische Diktatur der 1980er Jahre vergleichen?

Staudinger, wieder in Form: Er habe ja nur gemeint, dass der Schriftsteller und Dissident Havel "im Widerstand gegen kommunistisches Regime war, im Häfen gesessen ist und relativ schnell nach der Wende Präsident geworden ist. Da gibt es ja ein paar leuchtende Beispiele in der Welt..."

Havel und die Corona-Maßnahmengegner

Die "Niederösterreichischen Nachrichten" zitierten Staudinger unter Corona-Demonstranten aber mit: "Nun seien unsere Politiker mit der Krise heillos überfordert, die zukünftigen Präsidenten sind jetzt unter den Demonstranten oder womöglich sogar im Häfen."

Der Kandidat hat den Kandidatenmodus wiedergefunden, besser nicht auf solche Fragen Thürs zu antworten: "Sagen wir so: Es gibt nach wie vor Leute, die gegenüber der Impfung misstrauisch sind, es gibt auch Wissenschaftler, die Zweifel an dem Prozess haben. Es kommen im Laufe der Zeit immer neue Fragen auf, die ja berechtigt sind. Da glaube ich, dass Österreich so eine tolle Tradition hat, zum Beispiel im 'Club 2', da sind die gegenteiligen Meinungen am Tisch gesessen und haben offen miteinander geredet."

Staudinger sagt das im Studio "einer der meistgesehenen Nachrichtensendungen des Landes", erinnert ihn Thür, "daran kann's also nicht gelegen sein".

Dabei wäre es so einfach gewesen, Thürs Vorhalt zu beantworten: Ich hab' auf der Demo doch nur mich gemeint – ich war ja auch unter den Demonstranten, oder? Und jetzt? Sitz' ich halt hier und kandidier'.

ORF

Österreich kann keinen Krieg, kein Match gewinnen

"Völlig pervers" findet der Kandidat für die Funktion des Oberbefehlshabers Regierungspläne, das Verteidigungsbudget zu erhöhen. "Dass Österreich alleine einen Krieg, ein Match gewinnen kann, das glauben wir alle miteinander nicht."

Was sollte die von Russland angegriffene Ukraine tun? "Ich bet’ für Russland und ich bet’ für die Ukraine, dass dieser Wahnsinn Krieg aufhört."

"Hilft Beten als Bundespräsident?"

"Aber hilft Beten als Bundespräsident?", rätselt Thür.

"Man muss den Frieden beginnen, wie den Krieg", bemüht Staudinger Zweig. Und Alexander Kluge: "Den Krieg gewinnt nicht der, der die Schlacht gewinnt, sondern der, der den Frieden schafft." Und dann noch Staudinger: "Die Krieger wissen jetzt noch nicht, wie der Krieg ausgeht. Aber eines Tages wird er so ausgehen, dass man sich mit dem Frieden auseinandersetzen wird. Frieden wird eine Leistung von beiden verlangen, dass sie von ihren Forderungen einen Meter zurücksteigen."

Im Wartezimmer der Erkenntnis

Seine Kritik an den Corona-Maßnahmen erklärt er mit einer schönen chinesischen Weisheit: "Die Zweifel sind das Wartezimmer der Erkenntnis." Dort gingen "Rechthaber sehr ungern hinein." Als Präsidentschaftskandidat sitzt Staudinger gerade dort, bis er aufgerufen wird. (Harald Fidler, 17.9.2022)